Tschechiens Ministerpräsident verordnet Sparkurs:Prager Probleme

Verglichen mit den Schuldenstaaten Griechenland und Italien steht Tschechien finanziell gut da. Trotzdem will Ministerpräsident Necas in den nächsten Jahren kräftig sparen. Das ist auch nötig, denn sowohl Sozialdemokraten als auch Konservative haben bisher wichtige Reformen versäumt und nichts gegen die Korruption unternommen.

Klaus Brill, Prag

Es ist in fast allen Ländern Europas das Gleiche. Die erfreuliche Tatsache, dass die Menschen länger leben, und die weniger erfreuliche, dass sie weniger Kinder zeugen, haben ein krasses gesellschaftliches Ungleichgewicht zu Lasten der jüngeren Generation herbeigeführt. Dies bringt die Sozialversicherungssysteme und die Staatsetats aus der Balance, und deshalb kommt kein Land an grundlegenden Reformen vorbei. Wer sie versäumt und gar noch den Staat zur Beute der Parteien und ihrer Klientel macht, den bestraft das Leben. Griechenland und Italien dienen als Exempel dafür.

Verglichen mit diesen beiden Exzess-Sündern steht Tschechien haushaltspolitisch gut da. Zwar würde das Land mit einem Defizit von 4,6 Prozent des Bruttosozialprodukts in diesem Jahr das Maastricht-Kriterium für die Aufnahme in die Euro-Zone nicht erfüllen - aber dorthin will die Regierung ja vorerst sowieso nicht. Die Gesamtverschuldung liegt indes unter 40 Prozent und damit auch weit unter der deutschen oder der EU-Durchschnittsrate.

Gleichwohl wurden auch in Tschechien die notwendigen Veränderungen im Renten- und Sozialsystem über Jahre verschleppt, von Konservativen ebenso wie von Sozialdemokraten. Und jenseits der jetzt erreichten Reformen bleibt immer noch ein Berg von Problemen: die Erblast der kommunistischen Vergangenheit. Justiz, Polizei und Verwaltung bedürfen weiterer grundlegender Korrekturen. Vor allem der Korruption, die in Tschechien anscheinend eher zu- als abnimmt, muss endlich Einhalt geboten werden. Erst dann wird auch das Ansehen der politischen Akteure, das sich derzeit auf einem Tiefpunkt befindet, wieder besser werden.

© SZ vom 08.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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