Tschechien:Die Wahl in Tschechien ist eine Abstimmung über Europa

A man walks past a poster promoting the incumbent president Milos Zeman in Prague

"Wählt Zeman!", fordert dieses Plakat in Prag. Der Amtsinhaber setzt unverhohlen auf Fremdenfeindlichkeit: "Das ist unser Land. Stoppt Einwanderung und Drahoš", heißt es weiter. Jiří Drahoš ist sein Gegenkandidat.

(Foto: David W Cerny/Reuters)
  • An diesem Wochenende entscheiden die Tschechen in einer Stichwahl, wer Präsident wird.
  • Alle zuvor ausgeschiedenen Kandidaten unterstützen den Herausforderer des Moskau-treuen Amtsinhabers Miloš Zeman.
  • Wenn Jiří Drahoš gewinnt, will er Tschechien fest an Westeuropa binden, Zeman plant dagegen ein Referendum über einen EU-Austritt.
  • Der Ausgang der Wahl wird wohl auch über das Schicksal des umstrittenen Ministerpräsidenten entscheiden.

Von Florian Hassel, Prag

Der Chemieprofessor Jiří Drahoš muss sich beim Kampf um das Amt des tschechischen Präsidenten nicht nur auf sich selbst verlassen. Bevor die Tschechen in einer Stichwahl an diesem Freitag und am Samstag entscheiden, ob Amtsinhaber Miloš Zeman in der Prager Burg bleibt oder Drahoš dort einzieht, hat der Herausforderer vielfache Unterstützung: Gleich drei Kandidaten, die in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl jeweils um die zehn Prozent der Stimmen erreichten, zogen nach ihrem eigenen Ausscheiden als Wahlkämpfer für Drahoš durchs Land.

Einer der drei, der Geschäftsmann Michal Horacek, stellte Drahoš auch gleich seinen Wahlstab und von ihm gemietete Werbeflächen zur Verfügung - und verglich den Kampf gegen Amtsinhaber Zeman mit den legendären Duellen tschechischer Eishockeyspieler gegen die oft übermächtigen Russen: "Es ist wieder, als ob wir gegen die Russen spielen. Und tatsächlich spielen wir ja auch gegen sie", scherzte Horacek unter Anspielung auf die moskaufreundliche Haltung von Präsident Zeman: Der ist oft Gast von Präsident Wladimir Putin, lehnt die EU-Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim ab und will Tschechien näher sowohl an Moskau als auch an China führen, außerdem will er die Tschechen über den Verbleib in der EU abstimmen lassen.

Jiří Drahoš dagegen, bis 2017 acht Jahre Präsident der Akademie der Wissenschaften, lehnt eine weitere Annäherung an Russland ebenso ab wie ein Referendum über einen EU-Austritt; er will Tschechien fest an Westeuropa binden. Die drei in Runde eins ausgeschiedenen Gegenkandidaten sehen es ähnlich - neben Horacek Ex-Diplomat Pavel Fischer und der Arzt und Aktivist Marek Hilser. Umfragen zufolge wollen drei Viertel ihrer Anhänger in der Stichwahl für Drahoš stimmen. Seit dieser 2017 bekannt gab, für das Amt des Präsidenten anzutreten, sahen ihn etliche Umfragen - die letzte Anfang dieser Woche - in einer Stichwahl mit einem Vorsprung von bis zu fünf Prozent als Sieger über Miloš Zeman. Doch Umfragen liegen auch in Tschechien manches Mal daneben. Den Ausschlag wird geben, wie zehn Prozent noch unentschiedene Wähler abstimmen.

Das Amt des Präsidenten ist in Tschechien überwiegend repräsentativ, aber nicht nur: Der Präsident ernennt Richter und Zentralbanker und vergibt auch den Auftrag zur Regierungsbildung. Das ist eine Routineangelegenheit in normalen Zeiten - aber eine entscheidende Vollmacht in Zeiten einer politischen Krise, wie sie Tschechien gerade erlebt. Zudem prägt der Präsident wesentlich die öffentliche Meinung mit: Das jahrelange Wettern gegen die angeblich übermächtige EU erst durch Präsident Vaclav Klaus, dann durch Zeman hat die EU-Skepsis vieler Tschechen gestärkt.

Die Wahl zwischen Zeman und Drahoš ist nicht nur im Verhältnis zu Moskau und der EU eine Richtungswahl, sondern wahrscheinlich auch bei der Entscheidung, wer Tschechien künftig regiert. Bleibt Miloš Zeman Präsident, führt er seine faktische Allianz mit dem umstrittenen Milliardär Andrej Babiš fort, dem Sieger der Parlamentswahl Ende Oktober 2017. Babiš hat allerdings das Problem, dass ihn die Prager Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf massiven Betrug vor Gericht stellen will, deshalb wollen andere Parteien bisher nicht mit Babiš koalieren. Eine Vertrauensabstimmung im Parlament verlor Babiš vergangene Woche, zudem hob das Parlament seine Immunität auf.

Der eine joggt, der andere ist kränklich, aber der bessere Redner

Präsident Zeman will Babiš trotzdem nochmals den Auftrag geben, eine Regierung zu bilden. Und selbst wenn Zeman verliert, bleibt er bis zum 8. März Präsident. Allerdings müsste Babiš bis zum Ende einer Zeman-Amtszeit eine Regierungsmehrheit im Parlament finden - und ob er dies schafft, ist offen. Herausforderer Drahoš hat bereits ausgeschlossen, Babiš zum Ministerpräsidenten zu ernennen, solange die Vorwürfe gegen ihn nicht vor Gericht entkräftet sind.

Auch in anderer Hinsicht könnten die beiden Konkurrenten um das Präsidentenamt nicht unterschiedlicher sein: Hier der 73 Jahre alte Zeman, bekennender Liebhaber von Alkohol, schwerem Essen und drastischer Sprache. Er verkauft sich, obwohl er selber seit Jahrzehnten die Prager Politik mitbestimmt, vor allem unzufriedenen Tschechen in der Provinz als ihr Anwalt gegen die angeblich korrupten "Prager Kaffeehauspolitiker". Drahoš ist dagegen ein zurückhaltender Akademiker, ein Vertreter par excellence der Prager Elite. Volksnah-grobe Aussagen über Widersacher lässt der leise sprechende Drahoš aus. Zeman dagegen liebt die Polemik und lässt bei Fakten oft fünfe gerade sein: Nach einem Fernsehauftritt am vergangenen Sonntag bewertete der Infodienst demagog.cz von 32 Tatsachenbehauptungen Zemans neun als falsch, zehn als irreführend.

Zeman hat derlei lange ebenso wenig geschadet wie seine angeschlagene Gesundheit: Der an Diabetes leidende Präsident hat sichtbar abgenommen, kann sich nur mit einem Stock fortbewegen. Ausgerechnet in der heißen Wahlkampfphase vor der Stichwahl musste er zu einer angeblich einfachen Operation eines Abzesses an der Wange ins Krankenhaus. Anders als der angeschlagene Amtsinhaber stellt sich Konkurrent Drahoš, auch schon 68 Jahre alt, in Videos als Jogger und Skiläufer dar.

Eines hat Zeman ihm aber voraus: Charisma und Rednerkraft. Ein erstes Fernsehduell entschied Zeman den meisten Analysten zufolge für sich; bei einem zweiten 90-Minuten-Rencontre am Donnerstagabend wollte Drahoš punkten.

Noch im November wusste knapp ein Drittel der Tschechen nicht einmal, wer er war - das dürfte sich geändert haben. Bei Reisen durchs Land versuchten Drahoš und seine Frau Eva, Anhänger Zemans vor allem unter älteren und katholischen Bürgern für sich einzunehmen. Zemans Wahlkämpfer dagegen wollten Drahoš als angeblichen Anhänger der Aufnahme von Flüchtlingen in Tschechien diskreditieren mit dem Slogan: "Stoppt Immigranten und Drahoš! Dieses Land gehört uns!" Tatsächlich lehnt auch Drahoš die von der EU beschlossenen Flüchtlingsquoten für Tschechien ab.

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