Trump und Medien:Die Unerreichbaren

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Der US-Präsident hat längst eine eigene Realität geschaffen. Hier finden seine Anhänger ihre Wahrheiten. Klassische Medien werden ihm da wenig anhaben können.

Von Nicolas Richter

Präsident Donald Trump hat die Pressekonferenz neu erfunden, als Pressebeschimpfungskonferenz. Trump zetert, die Journalisten hören zu. Führende US-Medien nennt er "Feinde des Volkes". Teil eins der Wahrheit: Ja, Trump klingt wie ein Diktator; wie bei seinen Angriffen auf die Justiz will er Kritiker diskreditieren. Teil zwei der Wahrheit: Etliche Konservative finden Trumps Generalkritik an den Medien großartig, weil sie diese Medien weder mögen noch nutzen.

Der Machtkampf zwischen Trump und vielen Journalisten eskaliert so schnell, dass schon nach vier Wochen kaum noch verbale Steigerungsmöglichkeiten denkbar sind. Früher war es schwer für einen Präsidenten, gegen eine geschlossene Medienfront zu arbeiten. Trump aber regiert in einer Zeit, in der sich viele Wähler von den Fakten abwenden, wie sie in traditionellen Medien dargestellt werden. Trumps Fans setzen lieber auf Vertrauen denn auf Wissen. Solange Trump Millionen Alt-und-Neu-Konservativen vorgaukelt, er sei der echte Revolutionär, dürften diese Menschen unerreichbar bleiben für Leitartikel, Fakten, Investigation.

Es ist eine zweite Öffentlichkeit entstanden, mit eigenen Fakten

Trump profitiert von einer Entwicklung, die schon in den Neunzigern begonnen hat: Viele konservative Amerikaner fanden damals, die Leitmedien seien zu links. Also zogen sie sich zurück auf Fox News, Talk-Radio, rechte Webseiten. Sie bekamen nicht mehr Differenziertheit, sondern mehr Ideologie, Polemik und Verschwörungstheorie. So ist eine zweite Öffentlichkeit entstanden, mit anderen Meinungen und eigenen Fakten. Es gibt demnach keinen Klimawandel, dafür angeblich Horden von Ausländern und Terroristen, die das Land überrennen.

Trump ist bestens gerüstet, um diese zweite Öffentlichkeit zu manipulieren. Er lügt so oft und so beiläufig wie keiner seiner Vorgänger. Er schafft Stunde um Stunde eine eigene Faktenwelt - angeblich hatte er die meisten Wahlmänner seit Reagan und seine Regierungsgeschäfte schnurren effizient vor sich hin. Trump war schon einflussreich, als er bloß Twitter hatte; jetzt besitzt er auch noch den Öffentlichkeitsapparat der US-Regierung, um seine Wahrheit zu verbreiten.

So sehr er die großen Sender und etwa die New York Times als "scheiternd" beschimpft - er braucht sie doch: als Feinde. Trumps Politikstil braucht immerzu Feinde. Allerdings hat Trump viele Feinde aus dem Wahlkampf verloren: die Clintons sind geschlagen, die "Versager" im US-Kongress sollen jetzt seine Gesetze abnicken, und selbst mit China muss er neuerdings auskommen. Es bleiben nur die Medien. Es kostet Trump nichts, sie niederzumachen, aber es bringt ihm viel Lob bei seinen Fans. Also: Good Deal.

Einstweilen kommt der Dauerstreit mit Trump auch den Sendern und Zeitungen zugute. Auch sie stehen unter Rechtfertigungszwang: Drei Viertel der Amerikaner gestehen ihnen zwar noch immer eine Wächterrolle zu, drei Viertel finden aber auch, dass die Medien zu parteiisch sind. Oft waren die Medien auch zu unkritisch, als sie etwa 2003 die Lügen zum Irak übernahmen. Als standhafte Kritiker Trumps, die sich auch von dessen wütenden Gefolge nicht einschüchtern lassen, können sie jetzt zeigen, dass sie als Wächter noch immer unentbehrlich sind.

Vorerst also herrscht eine Art lärmendes Unentschieden zwischen Trump und den Medien. Allerdings könnte die gegenseitige Abneigung jederzeit eskalieren. Es ist unklar, ob Trump Journalisten bespitzeln oder verhaften oder Redaktionen durchsuchen lassen würde, etwa auf der Suche nach Informanten im Regierungsapparat. Das Verfolgen von Whistleblowern war ja eher die Spezialität von Trumps Vorgänger Barack Obama. Aber es würde zum leicht reizbaren Temperament Trumps passen, die Presse mit mehr abzustrafen als nur mit Worten, ohne Rücksicht auf Gesetz und Verfassung.

Wahrscheinlicher ist es, dass Trump mithilfe seiner alternativen Realität die US-Öffentlichkeit noch weiter auseinander treibt. Mit seinem Dauerstrom von Halbwahrheit und Übertreibung dürfte er etliche seiner Anhänger betäuben, noch mehr von ihnen unerreichbar machen für traditionelle Medien und deren Versuch, die Welt so abzubilden, wie sie ist. Selbst wenn Trump - wie einst Richard Nixon - in Folge von journalistischen Recherchen des Amtes enthoben würde: Aus Sicht etlicher Rechter wäre dies kein Erfolg der Pressefreiheit, sondern gälte als neuer Beweis dafür, dass "das Establishment" die Präsidentschaft Trumps sabotiert hat.

Am Ende entscheidet sich die Auseinandersetzung zwischen Trump und den Medien vermutlich nicht zwischen Rechten und Linken, sondern zwischen denen, die noch bereit oder willens sind, Wahrheit von Lügen zu unterscheiden. Und jenen, die es aufgegeben haben.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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