Trump:Ein lausiger Autokrat

Nach hundert Tagen: Er ist kein Erdogan oder ein Putin, er ist lediglich ein eitler Bauunternehmer aus Manhattan. Er interessiert sich nicht für die Maschine Washington und glaubt, eine Supermacht mit einer Handvoll Vertrauter steuern zu können.

Von Stefan Kornelius

Passenderweise hat sich Donald Trump hat das 100-Tage-Reflexionswochenende ausgesucht, um der Heerschar der Trump-Analysten klarzumachen, dass es nichts Neues gibt auf der Couch. Er lädt den philippinischen Mörder-Präsidenten Rodrigo Duterte ins Weiße Haus ein, wenige Tage nachdem er Recep Tayyip Erdogan zu seinem Referendums-Erfolg gratulierte. Und hat er nicht kürzlich eine Art Wahlempfehlung für Marine Le Pen ausgesprochen? Wer auch immer begierig Signale der Normalität aus Washington aufsaugt - Stephen Bannon entmachtet, kein Geld für die Mauer -, wird in der nächsten Kurve schon wieder aus der Bahn geschleudert. Das einzig berechenbare an diesem Mann bleibt seine Unberechenbarkeit.

Trump ist, wenn man ehrlich ist, ein schlechter Populisten-Präsident. Das ist die gute Nachricht. Er folgt keiner Ideologie und hat sich offenbar kein größeres Ziel gesetzt, als sich selbst zu gefallen. Das wird nicht so schwer sein. Dieser Mangel an Ambition ist ein Segen. Figuren wie ihn kennt die Welt momentan zu Genüge, Populisten sind erfolgreiche Heilsversprecher in einer Zeit wankender Strukturen. Der Unterschied zwischen einem erfolgreichen Populisten und Trump besteht darin, dass dem US-Präsidenten der endgültige Machtanspruch fehlt. Er ist ein lausiger Autokrat; er nutzt seine populistische Macht nicht, um auch seine politische Macht zu festigen.

Kein vernünftiger Populist und Autokrat wäre auf die Idee gekommen, in den ersten hundert Tagen den eigenen Wählern die Gesundheitsvorsorge wegzunehmen oder alleine den Reichen einen Steuernachlass zu schenken. Jeder Autokrat hätte als erstes seine Anhänger im Parlament mit Geschenken gefügig gemacht, sich zweitens mit einer Dreierkette von loyalen Zuträgern umgeben und drittens das Regelbuch der Demokratie zu den eigenen Gunsten manipuliert.

Das einzig Berechenbare bleibt seine Unberechenbarkeit

Trump aber ist kein Erdoğan oder ein Putin, er ist lediglich ein eitler Bauunternehmer aus Manhattan. Er interessiert sich nicht für die Maschine Washington und glaubt, eine Supermacht mit einer Handvoll Vertrauter steuern zu können. Eine Vertikale der Macht, die direkte Kommandogewalt in alle Staatsbereiche bis hinunter in die untersten Ebenen, wird er niemals bauen können. Seine Regierungsphilosophie ist eine Art Achterbahnfahrt, gesteuert durch Intuition. Um Trump herum hat sich inzwischen eine Lenkungs-, Deutungs- und Schadenvermeidungs-Industrie gebildet. Alle entscheidenden Zuarbeiter des Präsidenten richten ihre Arbeit allein nach dem Prinzip aus, wie sie den Mann an der Spitze in die richtige Richtung bugsieren und seinen Einfällen einen strategischen Überbau verpassen können. Der Verteidigungsminister, der Außenminister, der Nationale Sicherheitsberater: ein Kriseninterventionsteam mit dem Auftrag, dem Staatskörper USA die vitalen Funktionen zu erhalten. Diese Leute spielen im Abwehr-Modus - gegen die Gefahr aus der eigenen Regierungszentrale. Unterdessen verfällt die Arbeitsfähigkeit des Behördenapparates, weil Trump offenbar meint, dieses Land brauche nur ihn zum Regieren. Wie falsch er liegt, zeigt zum Beispiel der Balkan, wo die USA nach der Obama-Regierung ein gewaltiges Betreuungs-Vakuum hinterlassen haben, das gerade durch unselige Kräfte gefüllt wird.

Die Kontinentalmacht USA wird so immer mehr auch zu einer politischen Insel mit schrumpfendem Einfluss auf die Welt. Wer sie retten wird von diesem Irrpfad? Vielleicht in ein paar Jahren der Wähler, vielleicht auch nicht. Die Welt wird Schaden nehmen, wenn eine Nation dieser Bedeutung zum Therapiefall verkommt. Amerikas Wähler werden es als Letzte merken, welchen Schaden sie da jenseits der eigenen Grenzen gerade anrichten.

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