Trotz Kritik an Energiewende:Merkel will Ökostrom "zügig" ausbauen

CSU-Chef Seehofer fordert mehr Tempo. Anderen in der Koalition geht der Ausbau der erneuerbaren Energien zu schnell. Doch die Kanzlerin weist Kritik an der Energiewende zurück. Zusätzliches Problem: Weiter steigende Strompreise gefährden die Zustimmung der Bürger zu dem Projekt.

Michael Bauchmüller, Berlin, und Mike Szymanski, München

Energiegipfel im Bundeskanzleramt

Energiegipfel im Bundeskanzleramt: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD, erste Reihe, l-r), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU ).

(Foto: dpa)

Ungeachtet kritischer Stimmen auch in der eigenen Koalition hält Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an einem raschen Ausbau der erneuerbaren Energien fest. Ziel sei ein "zügiger Ausbau" des Ökostroms, ohne dass die Versorgung insgesamt leide. Auch müssten die Preise "verträglich" bleiben, sagte Merkel nach einem Energiegipfel mit den Ministerpräsidenten in Berlin. Die "Dynamik des Ausbaus" dürfe nicht gebrochen werden.

Diese Dynamik hatte zuletzt auch in der schwarz-gelben Koalition eher die Kritiker eines schnellen Ausbaus beflügelt. Sie beriefen sich unter anderem auf die steigende Umlage, mit der Stromkunden die Förderung des Ökostroms finanzieren. Sie wird im kommenden Jahr statt 3,6 Cent je Kilowattstunde 5,3 Cent betragen; einen Vier-Personen-Haushalt belastet das mit etwa 60 Euro im Jahr zusätzlich. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte in diesem Zusammenhang von einem "alarmierenden Signal" gesprochen und eine grundlegende Reform des Fördergesetzes noch in dieser Legislaturperiode gefordert. Rösler wirbt für ein Modell, in dem feste Quoten den Ausbau regeln.

Eine Reform wird es aber ohnehin nicht so schnell geben. Bund und Länder vereinbarten am Freitag zunächst einen "nationalen Dialog", um eine sinnvolle Lösung zu suchen. "Dass das nicht einfach ist, kann man sich vorstellen", sagte Merkel. Die Bürger könnten sich aber sicher sein, "dass wir uns gemeinsam der Energiewende verpflichtet haben". Ähnlich äußerten sich teilnehmende Ministerpräsidenten.

Nur knapp ein Viertel der Bürger wollen Preissteigerungen

Nach Auffassung des bayerischen Regierungschefs Horst Seehofer (CSU) könnte die Energiewende sogar noch schneller vonstatten gehen als bisher geplant. "Die vereinbarten Termine sind Termine, die auch unterboten werden können", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Wir sollten jeden Tag darauf achten, dass wir auch noch schneller sind, als das jetzt von der Bundesregierung angestrebt wird." Bisher hat die Bundesregierung einen Ökostrom-Anteil von mindestens 35 Prozent bis 2020 als Ziel. Er liegt jetzt schon bei 25 Prozent.

Basis für eine Reform soll das geltende Erneuerbare-Energien-Gesetz sein. Dieses müsse weiterentwickelt werden, hatten die Länder in der Vorwoche verabredet, ohne konkreter zu werden. Am Freitag stellte sich auch der Bund hinter die Vereinbarung der Länder. "In allen relevanten Punkten ziehen wir an einem Strang", sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). Der Bund sei mit einer "sehr konsistenten Strategie" aufgetreten. Allerdings war FDP-Chef Rösler wegen einer Dienstreise verhindert.

Unterdessen erhöhte der Industrieverband BDI am Freitag abermals den Druck, die Kosten der Energiewende zu dämpfen. "Die Akzeptanz der Energiewende steht und fällt mit ihrer Bezahlbarkeit", sagte BDI-Chef Markus Kerber der Süddeutschen Zeitung. Unnötig hohe Kosten müssten vermieden werden. Hintergrund ist eine BDI-Umfrage, die nächste Woche vorgestellt werden soll. Danach trifft die Energiewende zwar in der Bevölkerung auf breiten Rückhalt; auch negative Folgen akzeptiere jeder zweite Deutsche, etwa den Bau neuer Stromleitungen. Dadurch verursachte Preissteigerungen um mehr als 20 Prozent dagegen nehme nur ein knappes Viertel der Bürger hin.

Allerdings gerät die Industrie selbst zunehmend in die Defensive. Viele Unternehmen sind von den Kosten der Energiewende weitgehend befreit. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) forderte am Freitag eine Überprüfung dieser Ausnahmen. "Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache", sagte Aigner.

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