Treffen zu Atom-Endlager Gorleben:Bodenlose Diskussion

Umweltminister Röttgen lädt zum Treffen über das strittige Atom-Endlager Gorleben - und schon vor der Runde ist deutlich, dass eine Einigung oder Annäherung eine Herkulesaufgabe ist. In der SPD jedenfalls wird mit einem Endlager im Jahr 2040 gerechnet - wenn alles gut läuft.

Michael Bauchmüller, Berlin

Zumindest in der Einladung klingt alles ganz einfach: "Zur Klärung der noch offenen Fragen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle", so schreibt Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), lade er recht herzlich in sein Ministerium.

Klicken Sie auf das Bild, um zur interaktiven Übersicht zu gelangen. Die Karte zeigt existierende und geplante Atommüll-Endlager in Deutschland.

Als ginge es an diesem Dienstag nur noch um den letzten Schliff, wenn insgesamt zwölf Vertreter von Bund und Ländern, von Regierung und Opposition über ein Gesetz zur Standortsuche beraten. Nach 30 Jahren sturer Beharrung auf Gorleben soll es den Weg bahnen für ein neues, rein wissenschaftlich basiertes Suchverfahren. Doch die Vergangenheit lastet schwer.

Wie schwer, das belegt am Montag Stephan Weil, der Spitzenkandidat der SPD in Niedersachsen. "Hier wurde viel getrickst und geschummelt und die Menschen für dumm verkauft", sagt Weil der Süddeutschen Zeitung. "Damit muss Schluss sein." Und nicht nur damit - Gorleben dürfe schlicht nicht länger untersucht werden. "Aus niedersächsischer Sicht muss Gorleben aus dem Topf möglicher Endlager herausgenommen werden." Nur: Selbst innerhalb der SPD ist der Umgang mit Gorleben umstritten.

In insgesamt vier Treffen hatten Bund und Länder bisher die Pläne für die neue Endlagersuche immer weiter konkretisiert, bis hin zum Entwurf eines "Standortauswahlgesetzes". Auf 23 Seiten beschreibt es ein Verfahren hin zu einem Atomendlager, von der Festlegung grundsätzlicher Kriterien über die Beteiligung der Öffentlichkeit bis hin zur Untersuchung von Alternativen. Irgendwann um das Jahr 2040 herum könnte so tatsächlich ein Endlager entstehen. Jedenfalls, sofern sich die Beteiligten auf ein Gesetz dazu einigen können.

Doch die "noch offenen Fragen" sind nicht ohne, sie drehen sich entweder um den Zuschnitt der zuständigen Behörden oder um Gorleben. Letzteres ist vor allem für SPD und Grüne heikel. Denn die Ländervertreter beider Parteien haben sich in den Verhandlungen durchaus bereit zum Kompromiss gezeigt. Der könnte so aussehen: Gorleben wird zwar vorerst nicht weiter erkundet, bleibt aber im Spiel. Sobald andernorts ein Standort ähnlich weit erkundet ist, wird er mit dem Salzstock Gorleben verglichen - sofern dieser nicht "in einer der Entscheidungsstufen ausgeschlossen wird", wie es in einem Vorschlag des Bundes heißt.

SPD und Grüne ohne klare Linie

Vor allem der Parteibasis von SPD und Grünen in Niedersachsen geht das nicht weit genug. "Es gibt einen klaren Beschluss des letzten SPD-Parteitages, der lautet: Kein Endlager in Gorleben", sagt Spitzenkandidat Weil. "Ich erwarte, dass das auch die Richtschnur der SPD in den Bund-Länder-Gesprächen sein wird." Dort aber wird die SPD unter anderem von Parteichef Sigmar Gabriel vertreten, der selbst als Umweltminister ein Suchverfahren inklusive Gorleben vorgeschlagen hatte.

Teile der SPD fordern sogar den Erhalt eines "Salzlabors" in Gorleben; mit Rücksicht auf die dortigen Beschäftigten und auf Druck der Bergbaugewerkschaft IG BCE. Ähnlich die Lage bei den Grünen: Während Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, auch beim Treffen dabei, eine neue Suche nicht am Gorleben-Streit scheitern lassen will, fürchten niedersächsische Parteifreunde mit dem Gesetz laufe wieder alles auf Gorleben zu.

Die Union aber will Gorleben noch nicht beerdigen. "Es gibt keine politischen Vorfestlegungen und damit keine Ausnahme bei der Endlagersuche", sagt Bundesumweltminister Röttgen. "Wir gehen von einer weißen Landkarte aus." Andernfalls, so die Befürchtung, wäre ein Verfahren vor Gericht abermals angreifbar. Einmal abgesehen davon, dass der Bund - sollte er ohne fachliche Begründung aussteigen - die gesamten bisherigen Kosten für Gorleben tragen müsste. Insgesamt 1,6 Milliarden Euro.

Von einer Einigung an diesem Dienstag gehen weder die beteiligten Länder noch Minister Röttgen selbst aus - zumal mit dem Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen auch taktische Fragen jenseits der Endlagerung eine Rolle spielen; schließlich ist dort Röttgen Spitzenkandidat. Bliebe dann noch das Treffen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel zehn Tage nach der Wahl, zu Themen rund um die Energiewende. Und da liegt die Frage der Atom-Endlagerung gar nicht so fern.

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