Treffen von Putin und Merkel:Deutsch-russische Eiszeit

Kanzlerin Merkel und Russlands Präsident Putin

Schwierige Beziehung: Kanzlerin Merkel und Russlands Präsident Putin

(Foto: dpa)

Die Wirtschaftsbeziehungen stimmen noch - ansonsten aber ist das Verhältnis zwischen Kanzlerin Merkel und Russlands Präsident Putin kurz vor dem Treffen in Hannover an einem Tiefpunkt angelangt. Nicht zuletzt wegen der Kontrollen bei politischen Stiftungen in Russland.

Von Daniel Brössler, Berlin

Immerhin die Zahlen stimmen noch. Die Exporte nach Russland seien 2012 um 10,4 Prozent auf 38 Milliarden gestiegen, rechnete jüngst der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft vor. Die deutschen Exporte insgesamt hätten derweil nur um 3,4 Prozent zugenommen. Russland zähle daher weiterhin "zu den großen Hoffnungsträgern der deutschen Exportwirtschaft". 80 Milliarden Euro betrug das deutsch-russische Handelsvolumen 2012. Ein "Rekordniveau", wie auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Grußwort zur diesjährigen Hannover-Messe mit Russland als Partnerland anerkennend feststellt. Für ihr Treffen mit Präsident Wladimir Putin an diesem Sonntag anlässlich der Messe-Eröffnung verspricht das gute Stimmung. Ohne Weiteres zu halten ist das Versprechen aber nicht.

Zu sehr haben andere Zahlen und Fakten das deutsch-russische Verhältnis zuletzt belastet. Hunderte Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind in den vergangenen Tagen und Wochen von der Staatsanwaltschaft und anderen Behörden kontrolliert worden. Gesucht werden "ausländische Agenten", womit Empfänger finanzieller Hilfe aus dem Westen gemeint sind. Betroffen waren auch Büros der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) sowie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS).

Nachdem zeitweise Computer aus einem KAS-Büro in St. Petersburg beschlagnahmt worden waren, ließ Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sogar den russischen Gesandten ins Auswärtige Amt laden. Die Prüfung der KAS wurde zwar eingestellt, die Irritationen allerdings sind geblieben. Es lasse sich gar nicht vermeiden, dass das Thema in Hannover zur Sprache komme, betonte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter.

Damit kündigt sich für das Treffen in Hannover die Fortsetzung einer schwierigen Beziehungsgeschichte an. Während eines Auftritts mit Putin im November im Kreml hatte Merkel gemahnt, freundschaftliche Kritik nicht gleich als "destruktiv" abzutun und die Verurteilung der Künstlerinnen der Gruppe Pussy Riot zu zwei Jahren Lagerhaft wegen eines gegen Putin gerichteten "Punkgebets" in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale getadelt. So verärgert wie wahrheitswidrig hatte Putin Pussy Riot daraufhin des Antisemitismus bezichtigt, womit er offenkundig auch die Kanzlerin zu treffen wünschte.

Russland will keine Kritik von außen

Streit auf offener Bühne werden Putin und Merkel im feierlichen Rahmen der Messereröffnung wohl vermeiden, beim direkten Gespräch werden sie um die Frage, was mit den deutsch-russischen Beziehungen los ist, aber nicht herumkommen. Das Verhältnis sei von "Stagnation" geprägt, beklagt der Russland-Experte Hans-Henning Schröder von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. "Uns besorgt, dass in Russland von Modernisierung nicht mehr die Rede ist", beschreibt Schröder die Krise der einst vom SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier verkündeten "Modernisierungspartnerschaft". Modernisierung meine aus deutscher Sicht eben nicht nur Technik, sondern auch einen funktionierenden Rechtsstaat.

"Die Russen lieben Selbstkritik, aber keine Kritik von außen", konstatiert Wladislaw Below vom Zentrum für Deutschlandforschung am Europa-Institut in Moskau - womit er ins Zentrum einer deutschen Debatte zielt. Es sei "einzugestehen, dass unsere westlichen Maßstäbe pluraler Demokratie nicht unmittelbar auf Russland übertragbar sind", hatte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück vergangene Woche gesagt und gefordert, Demokratiedefizite und Menschenrechtsverletzungen "in bilateralen Gesprächen und nicht auf dem Marktplatz" zu erörtern. Die Kanzlerin ließ klarstellen, dass sie auch künftig "auf eine respektvolle Weise" Menschenrechtsfragen ansprechen werde.

Auf diese Zusage allein wollen sich Menschenrechtsgruppen nicht verlassen. Amnesty International etwa hat eine Mahnwache für den Messebeginn angekündigt. "Die Bundeskanzlerin, aber auch die in Russland tätigen deutschen Unternehmen, sollten sich in deutlichen Worten gegen die Behinderung der Arbeit von Menschenrechtsorganisationen in Russland aussprechen", fordert die Organisation.

Die deutsche Wirtschaft wird in Hannover tatsächlich für Freiheit eintreten, allerdings jene im Reiseverkehr. Er begrüße die geplanten Erleichterungen durch ein Abkommen zwischen der EU und Russland, sagt Eckhard Cordes, der Vorsitzende des Ost-Ausschusses. Und fügt hinzu: "Diese Verbesserungen sind gut und wichtig, die völlige Abschaffung der Visa-Pflicht ist besser - für die Wirtschaft, den Tourismus und für die Zivilgesellschaft."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: