Treffen in Karlsruhe:Islam, ganz unpolitisch

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Das Ahmadiyya-Oberhaupt Kalif Mizra Masroor Ahmad. (Foto: Uli Deck/dpa)

Muslime, die in zwei Bundesländern als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sind: In Karlsruhe treffen sich 40 000 Gläubige der Ahmadiyya-Gemeinschaft.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Für einen Moment sah es wirklich so aus, als überrage die schwarz-rot-goldene Fahne die Ahmadiyya-Flagge, aber das war nur eine perspektivische Täuschung. Kalif Mizra Masroor Ahmad, Oberhaupt der islamischen Religionsgemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat, hisste zum Auftakt der jährlichen Hauptversammlung in der Karlsruher Messe das schwarze Tuch mit Halbmond und Minarett; der Bundesvorsitzende Abdullah Uwe Wagishauser war für das deutsche Hoheitssymbol zuständig. Am Ende hingen sie auf gleicher Höhe. Und das sollte natürlich auch ein Zeichen sein.

Etwa 40 000 Gläubige werden für den dreitägigen "Kirchentag" der Muslimgemeinde in Karlsruhe erwartet. Wobei Wagishauser zum Begriff "Kirchentag" zwei Anmerkungen macht: Erstens hätte man, genau genommen, Moscheentag sagen müssen. Und zweitens seien die christlichen Kirchentage sehr viel politischer: "Das hier ist ein rein spirituelles Treffen."

Die Gemeinschaft ist in zwei Ländern als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt

Nun ist es für eine muslimische Gemeinschaft in diesen Zeiten kaum möglich, der politischen und gesellschaftlichen Verunsicherung im Umgang mit dem Islam zu entkommen. Auf der einen Seite ist die Ahmadiyya-Gemeinschaft willkommener Ansprechpartner für Politik und Verwaltung. Ihre friedliche und unpolitische Ausrichtung wird von niemandem ernsthaft bestritten, mit einem wahhabitischen Islam saudischer Prägung haben die Ahmadi nichts gemein. 2013 wurde die Gemeinschaft in Hessen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt, kurz darauf folgte Hamburg, weitere Anträge sind gestellt. Sie ist damit die erste islamische Gemeinde überhaupt, die diesen privilegierten Status innehat. Eines politischen Islam sind die Ahmadi auch deshalb gänzlich unverdächtig, weil sie in den 70er Jahren selbst aus dem zunehmend islamisierten Pakistan vertrieben wurden. Als eine eher von Akademikern geprägte Gemeinschaft, deren Kinder häufig Abitur machen, könnte Ahmadiyya zum Musterfall der Integration werden.

Auf der anderen Seite gibt es die AfD, die keinerlei Neigung zu Differenzierungen hat. Dass Ahmadiyya nun den Bau von Moscheen auch in den östlichen Bundesländern vorantreibt - etwa in Dresden, Leipzig und Erfurt -, führt dort zu Konflikten. Auch deshalb, weil die Ahmadi sich nicht mehr mit Gebetsräumen im Hinterhof begnügen wollen, sondern mit ihren Moscheen im städtischen Raum sichtbar sein wollen. Nun kann man zwar gerade dies als manifestes Zeichen von Integrationswillen nehmen. Doch sobald von Kuppeln und Minaretten die Rede ist, schürt die AfD ihre Landnahme-Verschwörungstheorien. Wagishauser plädiert hier für eine offene Auseinandersetzung: "Wir müssen eine Partei, die den Islam diffamiert, zum Gespräch herausfordern." Und das ist nicht nur eine Floskel. Kürzlich hat der redegewandte Wagishauser in eine Podiumsdiskussion zur Erfurter Moschee mit Björn Höcke, dem Thüringer AfD-Fraktions-Chef, gestritten. Wer sich die vom MDR ausgestrahlte Sendung auf Youtube anschaut, muss feststellen: Punktsieg für Wagishauser.

Politik können sie also schon, trotzdem ist die Botschaft beim Treffen in Karlsruhe eine andere. Der Kalif stimmt die Gemeinde ein, Tausende haben sich auf dem Boden der Messehalle niedergelassen. "Jeder, der teilnimmt, soll wissen, dass er in diesen drei Tagen eine vollständige Loslösung von der Welt anstreben soll", predigt er, vielsprachig übersetzt. "In diesen Tagen soll Gottes gedacht werden."

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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