Trauerrede für Filbinger:"Oettinger muss seine Äußerungen zurücknehmen"

Es hagelt weiter Kritik für Baden-Württembergs Ministerpräsident wegen seiner umstrittenen Trauerrede für Hans Filbinger. Auch erste Rücktrittsforderungen werden laut. Doch Oettinger hält Wort für Wort an seiner Rede fest.

Die Kritik an Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) wegen seiner Rechtfertigung der NS- Vergangenheit des früheren Stuttgarter Regierungschefs Hans Filbinger reißt nicht ab.

Der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Fritz Kuhn, forderte Oettinger auf, seine umstrittenen Äußerungen in der Trauerfeier für Filbinger zurückzunehmen.

Kuhn sagte der Berliner Zeitung: "Günther Oettinger betätigt sich als Geschichtsverdreher." Der Ministerpräsident verharmlose sowohl die Urteile des ehemaligen Marinerichters Filbinger als auch dessen Nichtverarbeitung der Taten. "Herr Oettinger muss seine Äußerungen zurücknehmen", sagte Kuhn, der jahrelang Grünen-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag war.

Die deutsch-französische Journalistin Beate Klarsfeld verlangte ein klärendes Wort der CDU-Vorsitzenden, Bundeskanzlerin Angela Merkel. Klarsfeld sagte der Chemnitzer Freien Presse, Merkel sei nicht nur als CDU-Chefin zu einer Richtigstellung verpflichtet, sondern auch als amtierende EU-Ratspräsidentin. Oettinger benötige offenbar dringend Nachhilfeunterricht über die Zeit des Faschismus.

Die Verklärung der Nazi-Zeit scheine in der Tradition der Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg zu liegen, sagte Klarsfeld, die sich mit dem Aufspüren von Nazi-Tätern einen Namen gemacht hat.

Oettinger: Meine Rede bleibt so stehen

Sie wurde bekannt, als sie 1968 den damaligen Bundeskanzler und vormaligen Stuttgarter Regierungschef Kurt-Georg Kiesinger auf einem CDU-Parteitag ohrfeigte und als "Nazi" beschimpfte.

Bei der Trauerfeier für den jüngst verstorbenen CDU-Politiker am Mittwoch in Freiburg hatte Oettinger Filbinger bescheinigt, er sei "kein Nationalsozialist" gewesen, sondern "ein Gegner des NS- Regimes". Er fügte hinzu: "Es gibt kein Urteil von Hans Filbinger, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte." Der Jurist habe sich den damaligen Zwängen aber beugen müssen.

Trotz der massiven Kritik hatte Oettinger am Donnerstag seine Äußerungen im Radio Regenbogen bekräftigt: "Meine Rede war öffentlich, ernst gemeint, und die bleibt so stehen."

Der Schriftsteller Ralph Giordano sagte dagegen der Leipziger Volkszeitung: "Ich hatte einst Einblick in die Akte Filbinger und weiß, dass dieser Mann vielfach überführt ist, teil genommen zu haben an Todesstrafen, und was das schlimmste dabei ist, selbst an einer, die noch nach der Kapitulation ausgesprochen wurde", sagte Giordano.

Giordano betonte: "Oettinger ist für das Deutschland des Jahres 2007 eine Schande, denn er hat als Ministerpräsident die demokratische Öffentlichkeit brüskiert" und legte Oettinger den Rücktritt nahe: "Wer so etwas sagt, steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und gehört nicht auf den Sessel eines Ministerpräsidenten." Wenn die CDU wolle, dass ihr Ruf als demokratische Partei nicht geschädigt werde, sollte sie ihren Parteifreund aufrufen, sein Amt zu quittieren.

Mayer-Vorfelder: Es war richtig, was Oettinger gesagt hat

Der Stuttgarter Rabbiner Joel Berger warf Oettinger vor, die Verstrickung Filbingers in die Verbrechen des Nationalsozialismus bewusst zu verharmlosen. "Er muss verdammt gute Belege haben, wenn er öffentlich sagt, Filbinger sei ein Gegner des NS-Regimes gewesen", sagte Berger dem Kölner Stadt-Anzeiger.

Dagegen nahm JU-Chef Steffen Bilger Oettinger in derselben Zeitung in Schutz. "Ich glaube, viele Anwesende haben es als befreiend empfunden, dass Oettinger einige Dinge mal klargestellt hat." Er sei "überrascht über diese Diskussion".

Auch der frühere Stuttgarter Kultus- und Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU), der lange Jahre Mitarbeiter Filbingers war, verteidigte Oettinger in den Stuttgarter Nachrichten: "Es war mutig, aber richtig, was er gesagt hat." Mayer-Vorfelder warnte Kritiker vor falschen Schlussfolgerungen über das Verhalten während der Nazi-Zeit: "Jeder soll froh sein, wenn er nicht in diese Zeit hineingeboren wurde."

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