Reform des Transplantationsgesetzes:Deutsche sollen sich zur Organspende äußern

Bisher gehen die meisten Deutschen dem Thema Organspende aus dem Weg. Das soll anders werden. Der Bundestag hat nach einer emotionalen Debatte Einigkeit bewiesen und das Transplantationsgesetz neu geregelt.

In einer außergewöhnlich emotionalen Debatte hat der Bundestag eine weitreichende Reform der Organspende auf den Weg gebracht. Angesichts von 12.000 Todkranken auf der Warteliste für ein Organ sollen alle Deutschen ab Sommer erklären, ob sie ihre Organe nach dem Tod spenden wollen.

Gesundheitsminister Bahr im Bundestag

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bei seiner Rede im Bundestag. Das Parlament beriet über eine Neuregelung der Organspende.

(Foto: dapd)

Alle fünf Fraktionen hatten sich Anfang des Monats nach jahrelangen Vorbereitungen auf diese sogenannte Entscheidungslösung geeinigt. Danach sollen künftig alle Bürger über 16 Jahren regelmäßig alle zwei Jahre zu ihrer Bereitschaft zur Organspende befragt werden. Bislang müssen die Deutschen selbst aktiv werden, um sich einen Organspendeausweis zu besorgen.

Der Gruppenantrag zur Änderung des Transplantationsgesetzes kann im Bundestag mit einer breiten Zustimmung rechnen. Über Parteigrenzen hinweg wurde die Vorlage begrüßt. Täglich sterben drei Menschen in Deutschland, weil sich kein Spenderorgan findet. Mit der Neuregelung soll auch den Angehörigen eine schwierige Entscheidung im Todesfall erspart werden.

Gesundheitsminister Daniel Bahr lobte die Bundestagsinitiative. Dass sich jeder Mensch mindestens einmal in Leben mit dem Thema Organspende auseinandersetzen werde, sei ein "klares und starkes Signal" für alle Patienten, sagte Bahr. "Jeder Organspender ist ein Lebensretter", fügte der FDP-Politiker hinzu. 2011 spendeten 1200 Menschen ihre Organe.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder versicherte, auch mit der Gesetzesnovelle werde nicht jeder automatisch zum Organspender gemacht. Dazu werde es auch in Zukunft "keine Pflicht" geben. "Das ist eine höchst persönliche Entscheidung", betonte der CDU-Politiker. Druck sei hier nicht angebracht.

Eine "Frage der Mitmenschlichkeit"

Lob kam auch aus den Reihen der Opposition. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte: "Es geht um mehr als nur Einzelschicksale." Es gehe auch um die Angehörigen und es gehe um Verantwortung, für Menschen, die der Hilfe bedürfen. Organspende sei letztlich eine "Frage der Mitmenschlichkeit". Der SPD-Politiker hatte 2010 seiner Ehefrau eine Niere gespendet.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warb mit Verweis auf die eigene Erfahrung dafür, sich zu Lebzeiten mit der Frage zu befassen, was ist, "wenn man dem Tod näher als dem Leben ist, wenn nur noch Apparate dafür sorgen, dass der Körper nicht endgültig versagt". In einer solchen Situation wolle man den Willen zur Organspende nicht interpretieren müssen, sondern sei froh, wenn der Tote eine klare Botschaft darüber hinterlassen habe. Die Grünen sehen die mangelnde Organspendenbereitschaft in einer ungenügenden Aufklärung begründet. Daher soll künftig Informationsmaterial mit der Ausgabe von Personalausweisen oder neuen Pässen übergeben werden, sagte Trittin.

Für die Linke erinnerte Fraktionschef Gregor Gysi daran, dass jedes Jahr rund 1000 Patienten aufgrund fehlender Spenderorgane sterben. Dabei sei der Wille zur Organspende durchaus da. Doch verdrängten die Deutschen Fragen, "die mit dem Tod zusammenhängen". Daher wäre er für eine Widerspruchslösung, doch sei diese weitreichende Regelung nicht durchsetzbar. Gysi betonte, durch die Bereitschaft zur Spende werde man keinesfalls auf den Status eines "Ersatzteillagers" heruntergestuft.

Strittig ist noch, wie die Organspendebereitschaft künftig dokumentiert werden soll. Zunächst soll es zwar weiterhin den herkömmlichen Organspendeausweis geben. Darüber hinaus ist aber eine Prüfung vorgesehen, ob und wie die Erklärung der Versicherten auf der neuen elektronischen Gesundheitskarte hinterlegt werden kann und ob auch die Krankenkassen die Erklärung speichern können.

Ziel des fraktionsübergreifenden Antrags ist es, mit der vorgeschlagenen Entscheidungslösung die Diskrepanz zwischen der hohen Organspendebereitschaft in der Bevölkerung, die bei rund 75 Prozent liegt, und dem tatsächlich dokumentierten Willen zur Organspende mit rund 25 Prozent zu verringern. Dabei soll die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen nicht durch eine Erklärungspflicht eingeschränkt werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: