Tourismus:Polare Störung

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Jetzt entdeckt eine Luxus-Reederei die früher abenteuerliche Nordwestpassage als bequeme Route. Tickets kosten 25 000 Euro aufwärts - das Kreuzfahrtschiff wird begleitet von Eisbrechern.

Von Hans Gasser

Was Roald Amundsen wohl dazu gesagt hätte? Sein umgebauter Fischkutter, die Gjøa, war ganze 21 Meter lang, hatte einen Mast und einen kleinen, nachträglich eingebauten Motor. Darauf war er zusammen mit sechs anderen Abenteurern von 1903 bis 1906 unterwegs, inklusive zwei Überwinterungen in der Polarnacht. Sie waren die ersten Menschen, die es geschafft hatten, die Nordwestpassage, also die Seeverbindung zwischen Atlantik und Pazifik entlang des Nordrands des amerikanischen Kontinents zu durchfahren.

Heutige Arktisfahrer, etwa jene, die zurzeit auf der Crystal Serenity unterwegs sind, haben es da ein bisschen bequemer: Sie können zwischen Sushi- und Grillrestaurants wählen, die Kalorien im Fitnessstudio wieder abbauen oder einen Hubschrauberrundflug über dem kanadisch-arktischen Archipel machen. Mitte August ging es in Alaska los, am 17. September soll das Schiff in New York einlaufen. Seit die Nordwestpassage 2007 erstmals eisfrei war, fährt pro Sommer eine Handvoll meist kleinerer Passagierschiffe durch. Die Serenity der US-Luxus-Reederei Crystal Cruises ist mit 280 Metern Länge und Platz für 1000 Passagiere und 600 Mann Besatzung das größte Passagierschiff, das je die Nordwestpassage befahren hat. Die günstigste Kabine kostet etwa 25 000 Euro mit Vollpension. Weil das Schiff keine Eisklasse besitzt, fährt an seiner Seite der Eisbrecher RRS Ernest Shackleton mit. Doch weil das Eis seit Amundsens Zeiten beträchtlich abgenommen hat, ist der nicht wirklich nötig. Er dient eher als Sicherheit, falls dem Schiff in den unzugänglichen Gebieten etwas zustoßen würde. Zudem braucht man ihn, um Kühlcontainer mit Gemüse und Fleisch zu transportieren, da das Kreuzfahrtschiff nicht genug Essen für die fast fünfwöchige Fahrt bunkern kann.

Eine solche Fahrt durch sensible arktische Gebiete ruft natürlich Kritiker auf den Plan. Umweltschutzverbände wie etwa der Nabu wettern, dass die meist mit Schweröl fahrenden Giganten extrem viel giftige Abgase ausstoßen, die in der Arktis noch größeren Schaden anrichten. So sei es erwiesen, dass die vielen Rußpartikel, die sich auf Schnee und Eis ablagern, durch Absorption der Sonnenstrahlen schnelleres Schmelzen verursachen. Die Eisbärenfamilie, die laut öffentlichem Reiseblog der Serenity am 30. August nahe Cambridge Bay die Passagiere entzückte, wäre so gesehen durch diese in ihrer Existenz bedroht.

Die Reederei hält dagegen, dass das Schiff auf der Strecke mit deutlich umweltverträglicherem Schiffsdiesel fährt. Die Schlauchboot-Ausflüge in kleine Inuit-Dörfer wie etwa Ulukhaktok seien seit drei Jahren mit der Bevölkerung zusammen geplant worden. Es würden immer nur circa 150 Passagiere gleichzeitig angelandet, die dort Musik, Tanz und alte Jagdtechniken vorgeführt bekommen. Man bietet ihnen auch Souvenirs wie kleine Figuren aus Walross-Elfenbein an. Dumm nur, dass die Amerikaner das nicht in ihr Land einführen dürfen.

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