Tourismus:Die Welt in der Hand

Kamera, Stadtplan, Wetterdienst: Das Handy ist ein treuer Urlaubsbegleiter - und ersetzt immer öfter das Reisebüro.

Von Jochen Temsch

Sonnencreme, Bücher - vielleicht. Aber ein Ding kommt ganz sicher mit in den Pfingsturlaub: das Smartphone. Mit ihm lässt sich der Weg zur nächsten öffentliche Toilette am Zielort genauso schnell finden wie die Öffnungszeiten der Kathedrale. Das Smartphone ersetzt Reiseführer, Stadtplan und Fotokamera. Dank Wlan in Hotels, Cafés, auf öffentlichen Plätzen, bei Flügen innerhalb der EU selbst über den Wolken, ist die Vernetzung der Urlauber nahezu lückenlos. Von der Wettervorhersage über die Erläuterung von Bergnamen bis hin zum Verkuppeln des Reisenden mit Gleichgesinnten gibt es nichts Sinnvolles oder Spinnertes, was es nicht auch als App oder Online-Angebot gäbe. Nur bei einer Sache halten sich die Smartphone-Nutzer bislang zurück: der Buchung von Reiseleistungen.

Laut dem Verband Internet Reisevertrieb informieren sich etwa 44 Prozent aller Reisenden in Deutschland vor ihrem Urlaub über das Smartphone, aber nur 15 Prozent buchen auch auf dem Gerät. Ähnlich verhalten sie sich unterwegs: Ein Drittel informiert sich via Handy, aber nur sechs Prozent reservieren dann eine Unterkunft, ordern ein Taxi oder kaufen ein Busticket via Smartphone. Das liegt an der lästigen Fummelei, dem kleinen Display, an Sicherheitsbedenken oder am Wunsch nach Beratung.

Je komplexer die Bausteine für eine Reise zusammengesetzt werden müssen, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Urlauber dafür ins Reisebüro geht. Laut Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen ist dies immer noch der wichtigste Buchungsweg in Deutschland.

Dennoch nehmen Online-Buchungen seit Jahren zu. Und auch der Anteil der Smartphone-Buchungen wird nach Meinung der Freizeitforscher wachsen. Wie in den USA, wo laut einer aktuellen Studie von Google inzwischen mehr Abfragen zu bestimmten Reisethemen übers Smartphone als über den Desktop-PC gestartet werden. Wenn das Suchergebnis ein besonders starkes Bedürfnis mit Preisnachlässen befriedigt, so Google, würden die Handynutzer auch gleich buchen - vorausgesetzt, die Website lässt sich schnell laden. Wer länger als drei Sekunden auf sein Display starren muss, ist weg.

An technischen Lösungen zur mobilen Kundenbindung arbeiten nicht nur Start-up-Unternehmen. Auch Reisekonzerne wie Tui oder Thomas Cook betreiben Apps. Die Individualisierung des Reisens und alles, was sich digital dazu verkaufen lässt, gilt als der Megatrend der Branche. "Seamless Travel" lautet das Schlagwort, stressfreies Reisen, bei dem der Urlauber vor, während und nach seinen Ferien persönlich auf ihn zugeschnittene Informationen und Hilfen abrufen können soll.

Maßgeschneiderte Angebote finden viele Urlauber unterwegs praktisch. Aber dafür werden sie auch zum gläsernen, jederzeit per GPS lokalisierbaren Adressaten, der gezielt mit Werbung traktiert werden kann. Für ein paar Gratis-Minuten Wlan sind viele bereit, beim Einloggen persönliche Daten herauszurücken, die sie einem Fremden auf der Straße nie anvertrauen würden. Angesichts dessen halten es Datenschützer für ratsam, darüber nachzudenken, was Urlaub auch bedeutet: mal abzuschalten.

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