Tony Blair als Botschafter für Nahost:Mit Maulkorb auf diplomatischem Parkett

Seit Montag ist der einstige Premier als Botschafter im Nahen Osten unterwegs. Doch sein Handlungsspielraum ist eng. Manche glauben, dass er den Job bald wieder hinwirft.

Thorsten Schmitz

Der Terminkalender von Tony Blair war in den vergangenen 48 Stunden so voll wie zu seinen Zeiten als britischer Premierminister.

Blair und Abbas

Tony Blair und Machmud Abbas: Der Maulkorb macht dem ehemaligen Premierminister Großbritanniens zu schaffen.

(Foto: Foto: AFP)

Am Montag begann er seinen Kompaktkurs in Sachen Nahost-Konflikt in Jordaniens Hauptstadt Amman, sprach dort mit Außenminister Abdul Ilah Khatib, kurz danach traf er zu Gesprächen in Israel und im Westjordanland ein, redete mit Außenministerin Tzipi Livni, Präsident Schimon Peres, Verteidigungsminister Ehud Barak und Regierungschef Ehud Olmert.

In Ramallah wurde Blair als neubestallter Sondergesandter des Nahost-Quartetts von Übergangsregierungschef Salam Fajad und Präsident Machmud Abbas darüber informiert, wie den Palästinensern geholfen werden könne.

Der bislang nur oberflächlich mit dem Nahost-Konflikt vertraute Blair müsse jetzt "seine Hausaufgaben machen" und sich eingehender mit der Region befassen, zitierte die israelische Tageszeitung Haaretz einen Mitarbeiter im Außenministerium. Blairs Trip war nicht nur eine Studien-, sondern auch eine Image-Reise. Denn Blair möchte seinen Ruf in der arabischen Welt polieren, der wegen seiner Unterstützung des Irak-Kriegs arg ramponiert ist.

Über den Inhalt seiner Begegnungen ist kein substantielles Wort an die Öffentlichkeit gedrungen. Blair selbst schwieg und sagte lediglich, er sei zum Zuhören gekommen. Der wortkarge Blair lässt sich auch damit erklären, dass er sich nicht die Zunge verbrennen will. US-Präsident George W. Bush hatte ihm zu dem Anschluss-Job nach zehn Jahren als Hausherr in 10 Downing Street verholfen unter der Prämisse, dass Blair nur die palästinensische Wirtschaft ankurbeln und Regierungsinstitutionen reformieren hilft.

Der Maulkorb macht ihm zu schaffen

Dazu gehören etwa wenig spannende Gespräche mit Israels Armee über die Aufhebung von Kontrollpunkten im Westjordanland, was die Bewegungsfreiheit der Palästinenser erhöht. Auch soll Blair potentielle Geberländer zu mehr Überweisungen an die Autonomiebehörde anregen. Der Maulkorb aber, erzählen britische Korrespondenten in Israel, mache Blair schon jetzt zu schaffen. Viel lieber würde er große Diplomatie betreiben und Friedensgespräche anschieben. Blair strebe nach Großem und wolle nicht in alltäglichem Kleinkram wie dem Abbau von Armee-Kontrollpunkten verlorengehen.

Doch die Diplomatie in Nahost bleibt US-Außenministerin Condoleezza Rice vorbehalten, was sie auf dem Treffen des Nahost-Quartetts in Lissabon vergangene Woche noch einmal betont hat. Blairs Vorgänger James Wolfensohn lüftete jetzt in einem Interview erstmals den Grund, weshalb er seinen Job als Nahost-Gesandter aufgegeben hat: Die Aufgabe sei uninteressant, wenn sie nur auf technische Fragen beschränkt bleibe.

Die USA hätten ihm kein Mandat für Friedensverhandlungen gegeben. Zudem mache es "keinen Sinn, die Palästinenser zu dämonisieren dafür, dass sie die Hamas gewählt haben. Man muss ihnen Hoffnung geben." Blair werde es schwer haben, vermutet Wolfensohn, "denn er hat genau dasselbe beschränkte Mandat wie ich".

Es ist bislang unklar, was Blair mit einem derart eingeschränkten Handlungsspielraum in Nahost eigentlich bewegen kann. Auch die Rahmenbedingungen sind bislang nicht vollständig geklärt. Vom September an wird er zwar jeden Monat für eine Woche in die Region reisen, heißt es aus seinem Büro.

Doch ob er ein Büro im Jerusalemer Hauptquartier der Uno beziehen kann und wer seinem Team angehören wird, ist noch nicht geklärt. Das Amt des Sondergesandten wird er nach Angaben seines Büros ehrenamtlich ausführen. Gegenüber der SZ erklärte einer seiner Mitarbeiter: "Herr Blair erhält kein Gehalt."

Schon jetzt stößt Blair mit seinem begrenzten Mandat an Grenzen. Die Palästinenser hätten ihn gerne als Vermittler, Israel lehnt eine Ausweitung von Blairs Kompetenzen dagegen strikt ab. Regierungschef Fajad verlangt von Blair ein Mandat für politische Verhandlungen. Nur eine Aufhebung des Finanzboykotts werde den Palästinensern nicht helfen, sagte Fajad dieser Tage. Er verlangt zudem eine permanente internationale Präsenz im Westjordanland und im Gaza-Streifen - Blair ist es jedoch verboten, hierzu Stellung zu nehmen.

Stattdessen lächelte er während seiner Zwei-Tages-Tour auffallend viel in einer Region, in der Politiker normalerweise nicht viel lächeln. Die radikal-islamische Hamas im Gaza-Streifen forderte Blair auf, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Es könne nicht sein, dass der neue Quartett-Emissär 1,5 Millionen Palästinenser im Gaza-Streifen ignoriere.

"Ich schätze, dass er in spätestens einem Jahr frustriert das Handtuch wirft"

Doch Blair, der zuletzt 1999 im Gaza-Streifen war, reiste auch diesmal nicht in das Gebiet, weil das Nahost-Quartett ihm das nicht erlaubt hätte. Die Uno-Hilfsorganisation für palästinensische Flüchtlinge im Gaza-Streifen, UNWRA, bedauerte Blairs Abwesenheit. Sie hätte Blair gerne den Effekt der Grenzschließungen auf den Alltag der Bevölkerung gezeigt, sagte UNWRA-Chef John Ging.

In Israel dagegen ist man darauf erpicht, dass Tony Blair als Scharnier beim Wiederaufbau der palästinensischen Wirtschaft fungiert und nicht zum Beispiel auf Endstatusverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern hinarbeitet. Aus dem Büro Olmerts hieß es, Blair habe ein "klares Mandat" für die finanzielle Unterstützung der moderaten Palästinenser und der Übergangsregierung von Fajad.

Friedensgespräche seien derzeit ausgeschlossen, und ohnehin würden diese ohne Vermittlungen einer dritten Partei direkt mit den Palästinensern geführt. Der israelische Politikwissenschaftler Jossi Alpher, Mitbegründer des israelisch-palästinensischen Diskussionsforums www.bitterlemons.org, hält Blairs Geduld für sehr begrenzt: "Ich schätze, dass er in spätestens einem Jahr frustriert das Handtuch wirft."

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