Tod von Jörg Haider:Der mutlose Verführer

Begnadeter Volkstribun, zynischer Rechtspopulist - Jörg Haider vereinte sämtliche Widersprüche in einer Person. Sein Tod könnte eine Zeitenwende für Österreichs Rechte markieren.

Michael Frank, Wien

Jörg Haider ist in den Tagen seines größten persönlichen Triumphs gestorben. Der alerte Politiker, der es auf einem anderen Höhepunkt seiner Karriere sogar fertig gebracht hatte, die gesamte Europäische Union gegen sich aufzubringen, hatte neben vielen anderen Fähigkeiten diese, immer wieder aufzustehen und mit persönlichem Einsatz verfahrene Situationen zu retten.

Tod von Jörg Haider: Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider ist nach einem Autounfall gestorben.

Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider ist nach einem Autounfall gestorben.

(Foto: Foto: Reuters)

Der begnadete Volkstribun, der zynische Rechtspopulist, der kalt berechnende Hetzer gegen Fremde und Liberale, hatte soeben wieder einen besonderen Akzent gesetzt und die politische Landschaft Österreichs verändert: Er brachte das von ihm vor drei Jahren gegründete Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), eine armselige Versammlung armseliger politischer Außenseiter, binnen sechs Wochen auf den Mandatsstand einer respektablen Kleinpartei. Im August noch hatte sein BZÖ Umfragewerte um die zwei Prozent.

Als dann die Österreicher am 28. September wählten, überholte das BZÖ die Grünen, wurde mit beinahe elf Prozent viertgrößte Fraktion im Nationalrat zu Wien. Plötzlich spielt diese als Witzpartei abgetane Gruppe eine Schlüsselrolle in allen Strategien, wie die geschrumpften ehemaligen Großparteien SPÖ und ÖVP eine tragfähige parlamentarische Mehrheit um sich versammeln könnten, wenn sie nicht wieder zusammengehen wollen.

Unaufhaltsamer Aufstieg

Man übertreibt nicht, wenn man das als die Leistung allein dieses Mannes sieht. Damit überflügelte er, zumindest was die persönliche Wirkung dieses umstrittensten Politikers der jüngeren österreichischen Geschichte betrifft, sogar den unaufhaltsamen Aufstieg der Freiheitlichen Partei (FPÖ) unter seiner Führung in den Achtziger- und Neunzigerjahren. Bis sie eben von Wolfgang Schüssel im Jahr 2000 in die Regierung geholt wurde, nachdem die Haider-Partei dessen Volkspartei in den vorangegangenen Wahlen überholt und auf den dritten Platz im Parlament verwiesen hatte.

Damals lagen 13 Jahre eines zwar beispiellosen, mit Rückschlägen durchsetzten Aufstiegs hinter ihm, der aber seine FPÖ immerhin einiges an Substanz personeller und inhaltlicher Natur ansammeln ließ. Diesmal war Haiders Erfolg der Sieg allein eines Solitärs mit nichts drumherum. Haiders Charisma, das man treffend mit Rattenfängerqualitäten der Sonderklasse beschreiben kann, sein außergewöhnliches Talent, Menschen in der persönlichen Begegnung zu bezaubern und damit zu überzeugen, hat ihm diesen Triumph beschert - genauso wie seine kluge Strategie, sich heute gemäßigter zu geben, nicht mehr nur den flammenden Rächer der Entrechteten zu spielen, der "die Altparteien vor sich hertreibt".

Zuständig nur für den Erfolg

Ein alter, schon verblasst geglaubter Stern glänzte urplötzlich wieder, aufpoliert durch persönlichen Einsatz. Dabei ist Haider einer seiner widersprüchlichen Eigenheiten treu geblieben: Er war niemals mutig genug, die Ergebnisse seines Erfolges selbst umsetzen zu wollen, Verantwortung für das zu übernehmen, was er seinen österreichischen Wählern versprochen hatte. Auf Landesebene, als Regierungschef des armen Kärnten, da wusste er den Vater und Förderer zu spielen.

Auf Bundesebene getraute er sich nichts. Auch damals im Jahr 2000, als die anderen 14 EU-Staaten die neue österreichische Regierung unter Isolierungsmaßnahmen stellten, weil sie die rechtsradikale FPÖ in Amt, Würden und Reputation gebracht hatte, war es nicht nur der internationale Aufruhr über den Wiener Tabubruch, der ihn zurückzucken ließ. Er überließ die bundespolitische Verantwortung anderen, blieb als der steuernde und störende Guru im Hintergrund, markierte oft die Opposition in der Regierung. Dies auch deshalb, weil er ahnte, wie wenig erfolgreich seine populistischen Versprechungen in der Regierungsverantwortung sein würden.

Und für Misserfolge war Haider nie zuständig, das war das Fach seiner treuen, von ihm oft bis zur Selbstaufgabe gedemütigten Paladine. So hat er auch diesmal erklärt, er werde Kärntner Landeshauptmann bleiben, werde kein Nationalratsmandat in Wien annehmen. Die im nächsten Jahr anstehende Landtagswahl in seiner südlichen Wahlheimat, hätte dem gebürtigen Oberös-terreicher sicher einen neuen Triumph beschert, wie sie ihm seit langer Zeit am Fuße der Karawanken und der Karintischen Alpen sicher sind. Triumphe übrigens, die er bis heute hauptsächlich seiner persönlichen Präsenz und seiner weit über die Legalität hinausreichenden Unnachgiebigkeit gegenüber den Interessen der slowenischen Minderheit in Kärnten verdankt.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie Österreichs Politiker auf den Tod von Jörg Haider reagierten - und wie nun die Zukunft der rechten Parteien aussehen könnte.

Der mutlose Verführer

An dem Abend, bevor er in der Nacht zum Samstag in seinem Dienstwagen tödlich verunglückte, hatte Haider bezeichnenderweise noch eine Gedenkveranstaltung besucht, die dem sogenannten Abwehrkampf der Deutsch-Kärntner gegen Okkupationsversuche des Königreichs Jugoslawien nach dem ersten Weltkrieg gegolten hatte.

Tod von Jörg Haider: Jörg Haider mit der Landesflagge Kärntens.

Jörg Haider mit der Landesflagge Kärntens.

(Foto: Foto: dpa)

Gerhard Dörfler, sein Stellvertreter als Landeshauptmann, sagte am Samstag über Haiders Tod: "Die Sonne ist in Kärnten vom Himmel gefallen." Stefan Petzner, der Generalsekretär des BZÖ, konnte oftmals am Samstagmorgen seine Tränen nicht unterdrücken, als er die Nachricht von Haiders Tod zu bestätigen, den Landeshauptmann zu würdigen und eine ungefähre Zukunft der Partei zu skizzieren hatte.

Ein Handshake für jeden Kärntner

Es geht das von den Propagandisten gepflegte Wort um, Haider habe jedem Kärntner irgendwann einmal die Hand geschüttelt. Seine Popularität sollte damit illustriert werden. Die Geschichten, mit wem allen er am Stammtisch geredet, an Gletscherbars gefeiert, in Discos getanzt habe, sind legendär. Als Protagonist der Schickeria, der Porsche und andere schnelle Autos liebte und Bungee-Springen als Wahlkampfthriller einsetzte, wusste er die Spaßgesellschaft zu faszinieren.

Als ein geläuterter, besonnener Staatsmann suchte er neuerdings auch die für sich zu gewinnen, die ihm seine übelsten Sprüche nicht verzeihen wollten, mit denen er die Gesinnungsfestigkeit der SS-Männer und die ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich gefeiert hatte.

Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, beide So-zialdemokraten und damit erbitterte Gegner von Haider und dem BZÖ, suchten am Samstag wortreich einen Mittelweg: Einmal Haider als eine Ausnahmeerscheinung in Österreichs Nachkriegspolitik zu würdigen; andererseits aber ihre Distanz zu dessen politischen Thesen und Methoden zu dokumentieren, ohne im Augenblick des Todes schlecht über ihn reden zu müssen.

Folgen für Österreichs rechte Parteien

Selbst Eva Glawischnig, designierte Vorsitzende der Grünen und gebürtige Kärntnerin, mochte Haider seine Einmaligkeit nicht absprechen, obwohl ihre Partei als einzige immer beherzt gegen dessen alles Menschrecht verachtende Agitation aufgetreten war.

Der Schock über den Tod des 58-jährigen, immer noch jugendlich wirkenden Recken wird Folgen haben. Die neu erstarkte extreme Rechte aus FPÖ und BZÖ hat sich ihrer inneren Zerstrittenheit wegen nach der Nationalratswahl nicht mit ihrem ganzen Gewicht in Szene setzen können. Das dürfte nach Haiders Tod anders werden: Sein Ziehsohn, der zuletzt sein erbittertster Feind war, der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache, hatte Haider immer persönlich Verrat an der rechten Sache vorgeworfen und ihn als den eigentlichen Hinderungsgrund für eine Wiedervereinigung mit dem BZÖ bezeichnet.

Straches Partei wird sich beeilen, die nun buchstäblich vaterlos gewordene, hilflose Schar der Haider-Partei bald in die FPÖ und damit in den Hafen einer strammen österreichischen Rechten heimzuholen.

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