Tod des Altkanzlers:Die Kohls kämpfen um die öffentlichen Sympathien

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Vor dem Haus des verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl in Oggersheim stehen Kerzen neben seinem Bild (Foto vom 19.06.2017). (Foto: dpa)

Zwischen der Witwe des Altkanzlers und seinen verstoßenen Söhnen herrscht ein prekärer Waffenstillstand. Ihre gegenseitigen Verbohrtheiten und Kohls Bitterkeit vor seinem Tod dürfen nicht das sein, was bleibt.

Kommentar von Heribert Prantl

Es gibt ein Gemälde von Rembrandt, das "Abziehendes Gewitter in Herbstlandschaft" heißt. Man sieht einen flammend brodelnden Himmel, an dem sich erste helle Flecken zeigen. Es ist dies ein Bild, das - eine Woche nach dem Tod von Altkanzler Helmut Kohl und eine Woche vor den Trauerfeiern - die postmortale Stimmung und den Stand der Erregung beschreibt, die es über die Modalitäten der Beisetzung gibt: abziehendes Gewitter im Juni. Weitere Unwetter werden folgen.

Der erste Donner verrollt dumpf; so manche alte Weggefährten, die zuletzt am Hofe Kohl nicht mehr gelitten waren, sind nun wieder zugelassen. Die Witwe Kohls und ihre Berater haben offenbar verstanden, dass es dem Andenken des Altkanzlers schadet, wenn jeder Groll und Zorn, den dieser in seinen späten Jahren hegte und pflegte, nach dessen Tod weiter zelebriert wird. Es beginnt der Kampf um die öffentlichen Sympathien - gehören sie eher dem großen Altkanzler, trotz seiner Verbohrtheiten und den Rigorositäten seiner Witwe? Oder den Söhnen und deren bitteren Klagen?

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Kohl hegte in seinen letzten Jahren viel Groll und Zorn

Zwischen Kohls Söhnen und der Witwe herrscht derzeit allenfalls ein prekärer Waffenstillstand. Den Gerüchten, sie habe sich deren Teilnahme an den Trauerfeiern verbeten, tritt sie entgegen. Sie heißt die Söhne, mit denen sich der Vater überworfen hatte, via Anwalt "selbstverständlich" zu allen Trauerfeiern willkommen. Indes: Großstreit über Kohls Vermögen ist zu erwarten. Die Söhne werden wohl ihren Pflichtteil einklagen.

Es ist zwar dabei geblieben, dass es keinen offiziellen deutschen Staatsakt gibt. Der Bann, mit dem Kohl zu Lebzeiten den jetzigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier belegt hat, gilt - und er wird von Kohls Witwe penibel beachtet. Steinmeier, der einst als Kanzleramtsminister unter Gerhard Schröder Ermittlungen "wegen Aktenschwundes" im Kanzleramt Kohls eingeleitet hat, soll keinen Staatsakt für Kohl anordnen dürfen. Aber es soll nun eine Art inoffiziellen deutschen Staatsakt, ein militärisches Zeremoniell vor und nach der kirchlichen Totenfeier im Dom zu Speyer geben. Den Sarg Kohls werden nicht Generäle der Bundeswehr, sondern die Bodyguards tragen, die Kohl bis zuletzt beschützt und umsorgt haben. Aber das ist sympathisch und menschlich.

Gemeinsam am Grab zu stehen - das kann versöhnend wirken

Ungut ist und bleibt freilich, dass es auf deutschem Boden keine Reden geben wird - Kohl hat sich das aus Grimm und Groll gegen Freund und Feind verbeten. Bundeskanzlerin Angela Merkel kann immerhin beim Staatsakt im EU-Parlament in Straßburg das Wort ergreifen; ein Auftritt des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán dort konnte mit vereinten Kräften von CDU- und CSU-Politikern, die es mit Kohl gut meinen, verhindert werden.

Das Bild von Kohl und dem französischen Präsidenten François Mitterrand, die sich an den Gräbern von Verdun die Hand reichen, gehört zum kollektiven Gedächtnis. Es zeigt die versöhnende Kraft, die es haben kann, wenn man zusammen an einem Grab steht. Diese Kraft hat die Trauer nicht automatisch. Damals war es Mitterrand, der die Hand Kohls gesucht hat, Kohl hat sie gern ergriffen. Vielleicht braucht es jetzt posthum Menschen, die die Hand ausstrecken und Kohls letzte Bitterkeiten nicht das Letzte sein lassen.

© SZ vom 24.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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