Tierschutz:Gefühlte Verantwortung

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Von der Pelz-Polizei bis zur Stallkontrolle - welche Tiere in der Gesellschaft als schützenswert gelten und welche nicht, das ist eher irrational. Wenn es die Politik mit dem Tierschutz ernst meint, sollte sie sich daran nicht orientieren.

Von Kristiana Ludwig

Tiere in deutschen Ställen sollen weniger leiden. Das hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) angekündigt, es ist seine Parole, auch wenn ihr nur sehr langsam Taten folgen. Dabei ist eine Frage noch längst nicht geklärt: Welche Tiere müssen eigentlich mehr Qualen ertragen als andere? Und warum? Lassen sich Schweine, die unter Druck die Schwänze ihrer Gefährten zerbeißen, mit Hähnen vergleichen, die den Schreddertod sterben?

Einigen Lebewesen wird Leid zugemutet, von dem andere verschont bleiben. Das liegt daran, dass wir den Nutztieren und ihren Aufgaben unterschiedliche Werte beimessen. Für Fleisch zu töten, ist vertretbar, für Pelz ist es verpönt. Die gesellschaftliche Debatte bestimmt den Schutz der Tiere und nach ihr richtet sich die Politik. Doch wenn der Minister sein Tierschutzanliegen ernst meint, sollte er sich am tatsächlichen Wohlbefinden der Tiere orientieren. Denn das ist wissenschaftlich messbar.

Was ermächtigt eigentlich Tierschützer, sich zu einer Pelz-Polizei aufzuspielen?

Bislang geht die Politik in kleinen Schritten besseren Haltungsbedingungen entgegen. Diskutiert werden einzelne Praktiken, die ein besonderes Elend bedeuten oder einen besonders sinnlosen Tod. Die Vorschriften für Pelzzucht sind bereits seit mehr als zehn Jahren so streng, dass sich die Farmen in Deutschland nicht mehr lohnen. Dass dies so ist, stößt auf viel Verständnis in der Bevölkerung. Wenn sich heute Tierschützer als Pelz-Polizei verkleiden, um Mantelkrägen zu kontrollieren, dann bleibt die Empörung erstaunlich gering: Den selbst ernannten Polizisten geht es schließlich nicht um Extremismus, so wie ihn einmal die Wuppertaler Scharia-Beamten vertraten. Ihnen geht es um eine anerkannte gute Sache. Viele Deutsche wollen ohnehin keine Kleidung tragen, die mit echtem statt mit Kunstfell besetzt ist.

Ganz anders verhält es sich beim Fleisch und anderen tierischen Lebensmitteln. Dass Lebewesen für unseren Speiseplan sterben müssen, ist gesellschaftlich akzeptiert. Weniger als fünf Prozent der Deutschen ernähren sich vegetarisch. Zwar wächst der Wunsch vieler Bürger, Tieren ein besseres Leben zu ermöglichen. Der Boom der Biobranche belegt einen allmählichen Wertewandel. Doch Landwirtschaftsminister Schmidt hat für dieses Bedürfnis eine wesentlich einfachere Lösung gefunden. Ein Tierschutz-Label soll den Menschen im Supermarkt die Wahl selbst überlassen. Sie sollen bald wählen können: Kaufe ich Fleisch, das mit oder ohne Qual entstanden ist? Ein gutes Gefühl wird dann zu einem bestimmten Preis zu haben sein - wenn man es sich leisten kann.

Verantwortungsvolle Tierschutzpolitik sollte anders aussehen. Die Haltungsbedingungen in der Landwirtschaft sollten nicht davon abhängen, welches Image bestimmte Nutztiere haben oder ob die Bürger gerne in den Bioladen gehen. Entscheidend müssen wissenschaftliche Untersuchungen sein, die zeigen, ob Tiere Leid empfinden. Grundlage wären dann etwa der Gesundheitszustand und das Verhalten der Kühe und Schweine. Dies ist aufwendiger, als von den Bauern ein paar zusätzliche Fenster im Stall zu fordern, und es kostet viel Geld - für fundierte Konzepte, verlässliche Kontrollen und für Tierschutzsubventionen. Es ist eine gesellschaftliche Entscheidung, wie viel uns das gute Gewissen wert ist.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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