Thüringer Untersuchungsausschuss zum NSU:Rätselhafte Razzia

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"So, wie es die Polizei darstellt, kann es meiner Meinung nach nicht gewesen sein", diese Aussage macht die Mutter von Uwe Böhnhardt vor dem Thüringer NSU-Ausschuss. Dort geht es auch um eine Razzia aus dem Jahr 1998. Sie misstraue der Polizei, sagt Brigitte Böhnhardt, besonders seit der Sohn von Schlägen durch Beamte berichtet habe.

Von Tanjev Schultz

Während in München der NSU-Prozess fortschreitet, tritt in Erfurt die Mutter von Uwe Böhnhardt als Zeugin auf. Vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags schildert sie am Donnerstag den Ablauf der Razzia am 26. Januar 1998, in deren Folge das NSU-Trio verschwand. Brigitte Böhnhardt wirkt aufgewühlt, spricht leise; was sie erzählt, lässt die Parlamentarier aufhorchen. Ihre Version weicht von der Darstellung der Polizei ab: In der Garage der Böhnhardts habe nicht etwa das Auto ihres Sohnes gestanden, sondern der Familienwagen. Und ihr Sohn sei keineswegs rasch nach Beginn der Razzia geflohen.

Vielmehr soll Uwe Böhnhardt die Beamten noch begleitet haben zu einer weiteren, von Beate Zschäpe angemieteten Garage, in der die Polizei Sprengstoff und Neonazi-Propaganda fand. Er habe den Polizisten sogar den Weg dorthin gezeigt und sei "vorneweg gefahren", sagt Brigitte Böhnhardt. So jedenfalls habe es ihr Sohn später bei konspirativen Treffen mit seinen Eltern erzählt. Als ein Beamter ihm zugeraunt habe, er sei nun "fällig", habe sich Uwe Böhnhardt schließlich abgesetzt. Die Mutter hatte nur den Beginn der Razzia miterlebt, sie war dann zur Arbeit gegangen.

"So, wie es die Polizei darstellt, kann es meiner Meinung nach nicht gewesen sein", sagt die Mutter. Sie erinnere sich, dass alle Schlüssel wieder am gewohnten Platz auf dem Schuhschrank gelegen hätten, als sie nach Hause kam. Brigitte Böhnhardt nimmt an, dass ihr Sohn die Schlüssel dort abgelegt hatte. Beamte hatten dagegen ausgesagt, sie hätten die Schlüssel nach Ende der Razzia in den Briefkasten geworfen; Uwe Böhnhardt soll zu diesem Zeitpunkt bereits fort gewesen sein.

Mehrmals macht die Mutter ihr Misstrauen gegen die Polizei deutlich. Sie habe schon damals ein "gespaltenes Verhältnis zur Polizei" gehabt, weil diese sich nicht immer korrekt verhalten habe. Ihr Sohn habe von Schlägen durch Beamte berichtet. "Ich sehe neben dem Kriminellen immer auch mein Kind." Einmal hätten Beamte Beate Zschäpe in der Nacht aus einem Polizeiwagen "geschmissen", Zschäpe habe verzweifelt angerufen, und sie habe sie dann abgeholt, erzählt Brigitte Böhnhardt. Zschäpe sei nett gewesen, "ich mochte sie".

Polizist vermietete Garage an Beate Zschäpe

Die mittlerweile bekannten Fehler der Behörden haben das Misstrauen noch gesteigert. Sie sei nicht einmal mehr sicher, ob wirklich Sprengstoff in Zschäpes Garage gefunden worden sei, sagt Brigitte Böhnhardt. Der Fund von mehr als einem Kilogramm TNT hatte bereits 1998 Aufsehen erregt und ist eigentlich unstrittig. Umso erstaunter sind die Mitglieder des Ausschusses, als sie schließlich den damaligen Vermieter der Garage vernehmen. Dieser behauptet, er habe erst 2011 nach dem Ende des NSU davon erfahren, dass in seiner Garage Sprengstoff gefunden worden war.

Der heute 66-Jährige hatte die Garage 1996 an Beate Zschäpe vermietet, für 70 Mark im Monat. Wer Zschäpe war, will er nicht gewusst haben, und auch als Zeuge zeigt er sich höchst ahnungslos. Seine Person steht sinnbildlich für den gesamten NSU-Komplex: Der Vermieter war von Beruf ausgerechnet Polizist. Zschäpe soll das nicht gewusst haben. Der Vermieter kassierte die Miete, bei der Razzia händigte er den Kollegen seine Ersatzschlüssel aus. Doch weil Zschäpe und ihre Freunde ein zusätzliches, schweres Schloss angebracht hatten, musste dieses erst mühsam geknackt werden. Das NSU-Trio machte sich derweil aus dem Staub.

© SZ vom 07.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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