Konzert in Themar:Null Bock auf Nazi-Rock

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"Sturm auf Themar" - unter diesem Motto kamen vor zwei Wochen 6000 Besucher nach Thüringen. (Foto: Michaela Rehle/Reuters)

Verhindern lässt sich das Neonazi-Konzert offenbar schwer, zu dem Rechtsradikale an diesem Wochenende ins thüringische Themar kommen. Aber die Polizei sollte wenigstens nicht den Parkeinweiser spielen.

Von Heribert Prantl, München

Bürgerinitiativen "für Demokratie und Weltoffenheit" aus dem thüringischen Städtchen Themar haben den zuständigen Landrat von Hildburghausen vergeblich bestürmt, gegen das an diesem Samstag geplante nächste Neonazi-Konzert in Themar einzuschreiten. Landrat Thomas Müller (CDU) weigerte sich sowohl bei einem "Bürgergespräch" am Mittwochabend im Themar, als auch nach einer "Mahnwache", die am Donnerstag vor seinem Landratsamt abgehalten wurde, etwas gegen das Konzert zu unternehmen.

Die Bürgerinitiativen bezeichneten die Konzerte der Neonazis als eine braune "Machtdemonstration der Schande". Der Landrat sagte freilich: "Der Klageweg kommt nicht mehr infrage". Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke), der auch am Bürgergespräch in Themar teilgenommen hatte, zeigte dafür im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung Verständnis: Landrat Müller sei ja schon vor gut zwei Wochen bei seinem Versuch gescheitert, das Vorgänger-Konzert zu verbieten. Der Landrat wolle sich nun eben nicht noch einmal vor Gericht eine blutige Nase holen.

Polizisten fungierten den 6000 Besuchern als Einweiser

Das geltende Versammlungsrecht sei ganz offensichtlich, so der Ministerpräsident, nicht klar und nicht präzise genug, um zu verhindern, dass kommerzielle Neonazi-Veranstaltungen die steuer- und sicherheitsrechtlichen Vergünstigungen einer grundgesetzlich geschützten Versammlung genießen dürfen. Beim Konzert am 15. Juli war als Eintritt eine Spende von 35 Euro verlangt worden, Polizisten fungierten den 6000 Besuchern als Einweiser für Parkplatz und Festzelt. Ramelow äußerte größtes Unverständnis dafür, dass ein "Geldtransfer in rechte Netzwerke" einen solchen Schutz erfährt. Es handele sich um eine kommerzielle Veranstaltung, nicht um eine grundgesetzlich geschützte Versammlung oder Demonstration.

Das Verwaltungsgericht in Meiningen und das Oberverwaltungsgericht in Weimar hatten das Konzert vom 15. Juli in Themar als Versammlung im Sinne des Grundgesetzes eingestuft. Zwei Wochen zuvor hatte ein solches Konzert schon in Gera stattgefunden. Das dritte Konzert dieser Art soll nun, als "Versammlung" im Sinne des Grundgesetzes wiederum in Themar, auf der gleichen Fläche stattfinden wie Konzert Nummer Zwei.

Die jetzige Veranstaltung unter dem Titel "Rock für Identität" hat der bayerische Neonazi Patrick Schröder angemeldet, es sollen Bands mit Namen wie Blutlinie, Sturmwehr und Frontalkraft auftreten. Als Redner steht unter anderem der wegen Volksverhetzung vorbestrafte Dieter Riefling auf dem Programm, ein Neonazi und früherer Aktivist der verbotenen rechtsextremen Organisation FAP. Beim Konzert am 15. Juli war es zu einer Serie von Straftaten gekommen, Teilnehmer hatten mit dem Hitlergruß salutiert, nachdem eine Band "Sieg Heil"-Rufe angestimmt hatte. Es laufen nun eine Reihe von Ermittlungsverfahren.

Ramelow beharrt deshalb auf seinem Vorhaben, das Versammlungsrecht per thüringischem Landesgesetz zu "präzisieren". Er hatte für seinen diesbezüglichen ersten Vorstoß viel Kritik erfahren - auch aus seiner eigenen Partei. Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke verwies auf bereits bestehende rechtliche Möglichkeiten, gegen derartige Veranstaltungen vorzugehen: "Wenn der begründete Verdacht besteht, dass bei einer Versammlung Straftaten begangen werden, dann bietet das Versammlungsrecht genug Möglichkeiten für ein Verbot oder strikte Auflagen."

Demokratie müsse auch Kundgebungen mit schwer erträglichen Inhalten aushalten

Ähnlich argumentierten Politiker der Union, der SPD und der Grünen. Die Demokratie müsse auch Kundgebungen mit schwer erträglichen Inhalten aushalten - solange keine Straftaten begangen werden. Wenn unter dem Deckmantel von Demonstration und Versammlung, Straftaten begangen werden, müssten diese aufgelöst werden.

Ramelow sagte nun der SZ, dass man nur mit wohlklingenden Worten und Wortgeklingel in den konkreten Fällen nicht weiterkomme - vorbeugen sei besser als auflösen. Per Landesgesetz will er deshalb "das innere Gepräge" einer grundgesetzlich geschützten Veranstaltung definieren: Diese müsste zu Zweidritteln "aus Wort und Inhalt" und dürfte nur zu einem Drittel "aus Unterhaltung" bestehen. Diese Mischung sei vom Veranstalter und Anmelder "für die ganze Versammlung zeitlich und räumlich nachzuweisen".

Eine Versammlung oder Demonstration im Sinne des Grundgesetzes dürfe auch "keine Eintrittsgelder, Solidarbeiträge oder dem Eintritt ähnliche Geldeinnahmen" verlangen. Des Weiteren dürfe der Veranstalter "keinerlei rechtsfreien Raum zulassen" - und er müsse mit ausreichendem Sicherheitspersonal dafür garantieren, dass Rechtsverstöße unterbunden werden. Die Wege zum Veranstaltungsgelände und die Parkplätze sollen, so will es Ramelow, künftig vom Veranstalter selbst abgesichert werden.

© SZ vom 29.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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