Clausnitz:Heimleiter demonstrierte gegen "Asylchaos"

Rechenberg-Bienenmühle

Flüchtlinge am Samstag in Clausnitz vor ihrer Unterkunft

(Foto: dpa)
  • In dem sächsischen Ort Clausnitz leben derzeit 25 Flüchtlinge. Begrüßt wurden sie von einem pöbelnden Mob. Das sorgte deutschlandweit für Aufregung.
  • Verantwortlich für die Flüchtlinge ist Thomas Hetze, AfD-Mitglied mit fragwürdigem Weltbild.
  • Der Landkreis sagt dazu: "Solange er nicht gegen geltendes Recht verstößt, gibt es keine Probleme."

Von Antonie Rietzschel

Ein ganz normaler Bürger sei er, mit Hobbys und Familie. Am 3. November steht Thomas Hetze im sächsischen Freiberg am Rednerpult. Vor ihm Hunderte Menschen, die gewaltig was gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung haben. Vor allem gegen die Kanzlerin: "Merkel muss weg!", brüllen sie. Der Mann mit den Hobbys und der Familie brüllt nicht. Er spricht bedächtig. Dennoch entfaltet er ein fragwürdiges Weltbild. Wirtschaftsflüchtlinge würden nach Deutschland einmarschieren, ohne dass die Regierung dagegen vorgehe. In Hetzes Augen "ein Verbrechen an der deutschen Nation". Dann wettert er gegen die Mitarbeiter des Landratsamtes, die nicht den Schneid hätten gegen die "Doktrin des Staatsapparates" aufzubegehren.

Thomas Hetze ist kein ganz normaler Bürger. Er sprach auf Einladung der Alternative für Deutschland (AfD), deren Mitglied er ist, auf einer Kundgebung unter dem Motto "Asylchaos stoppen!". Außerdem ist er Heimleiter der Flüchtlingsunterkunft in Clausnitz, die derzeit ganz Deutschland beschäftigt. In dem sächsischen Ort hatte ein hasserfüllter Mob neu ankommende Flüchtlinge so verängstigt, dass sie nur widerwillig aus dem Bus stiegen. Ein Polizist schleifte einen völlig verstörten Jungen aus dem Bus und in das Haus. Von nun an wird Thomas Hetze für ihn verantwortlich sein, so wie für die 24 weiteren Flüchtlingen, die in mehreren Wohnungen leben werden.

Er ist bei der kreiseigenen Managementgesellschaft GSQ angestellt. GSQ gehört dem Landkreis und ist unter anderem dafür verantwortlich, Objekte zur Unterbringung für Flüchtlinge anzumieten und zu verwalten. Hetze wurde speziell für die Betreuung der Flüchtlinge in Clausnitz eingestellt. Das Gespräch habe ergeben, dass Hetze für den Job qualifiziert sei, sagte der Leiter der Asylstabstelle des Landkreises, Dieter Steinert der SZ. Von seiner Mitgliedschaft bei der AfD habe man zu dem Zeitpunkt nichts gewusst. "Erst danach gab es Gerüchte", so Steinert.

Ende Januar wurde Hetzes politische Einstellung bei einer Bürgerversammlung offen thematisiert. Denn es war nicht bei dem Redebeitrag in Freiberg geblieben. Hetze hatte in Holzhau, elf Autominuten von Clausnitz entfernt, einen Stammtisch für die AfD organisiert. Der Impulsvortrag der Veranstaltung stand unter dem Motto "Asyl und andere politische Amokfahrten". Wie es denn zusammenpasse, dass er sich in der AfD engagiere, sich andererseits um Flüchtlinge kümmere, lautete nun die Frage. Das eine habe nichts mit dem anderen zu tun, sagte Hetze während der Versammlung. Er sei mit der Politik in Deutschland unzufrieden, das könne er nur über eine Partei artikulieren.

Fakt ist, Hetze muss jetzt die Politik umsetzen, die er selbst geißelt. Als Heimleiter ist er erster Ansprechpartner für alle Flüchtlinge. Hetze wird ihnen erklären müssen, wo der nächste Supermarkt ist, wo die nächste Bank. Er muss die Zusammenarbeit von Wohlfahrtsverbänden und freiwilligen Helfern koordinieren. Warum er sich für diesen Job entschieden hat, ist unbekannt. Er war für eine Stellungnahme über die AfD nicht zu erreichen.

Dass ausgerechnet einer wie Hetze diese Aufgaben übernimmt, darin sieht der Landkreis kein Problem. "Solange er nicht gegen geltendes Recht verstößt, gibt es keine Probleme", sagt Dieter Steinert vom Asylstab. Dass sich Hetze trotz seiner politischen Überzeugung für diese Stelle beworben habe, zeige, dass er eine gute Grundeinstellung habe.

Ein SPD-Politiker vermutet, dass auch Rechtsextreme vor Ort waren

Nach der Hass-Nacht in Clausnitz stellen sich immer noch viele Fragen: Wer sind die Menschen gewesen, die vor der Asylunterkunft gebrüllt haben. Kann ihr Zusammentreffen wirklich Zufall gewesen sein? Die Polizei geht davon aus, dass es sich vor allem um Einheimische gehandelt haben soll. Doch die Videos von dem pöbelnden Mob wurden zuerst auf der Facebookseite von "Döbeln wehrt sich" veröffentlicht. Döbeln liegt im Wahlkreis des sächsischen Landtagsabgeordneten Henning Homann.

Der SPD-Politiker vermutet, dass auch Rechtsextreme vor Ort waren, möglicherweise Neonazis aus dem Umfeld der 2013 verbotenen "Nationalen Sozialisten Döbeln". Dass sie sich zufällig einfanden, daran glaubt Homann nicht. "100 Menschen kommen zusammen, um zu protestieren, darunter auch Auswärtige - das war kein Zufall", sagt er der SZ.

Doch woher wussten die Demonstranten, wann die Flüchtlinge kommen? Der genaue Zeitpunkt wird meist sehr kurzfristig mitgeteilt, manchmal erst am selben Tag. Um 19.20 Uhr sollte die Flüchtlingsunterkunft in Clausnitz offiziell belegt werden. Doch durch die Blockade der Zufahrt konnten die Flüchtlinge die Wohnungen erst gegen 22 Uhr beziehen (ausführliche Chronologie der Nacht).

Als Heimleiter war Thomas Hetze einer derjenigen, die als erste Bescheid wussten. Doch auch die Gemeinde war informiert - und möglicherweise auch der Sicherheitsdienst. "Ich weiß aus meiner Erfahrung mit anderen Asylbewerberheimen, dass es da viele Sollbruchstellen gibt", sagt der Abgeordnete. Es ist also schwer zu sagen, ob und wer Informationen gezielt weiter gegeben hat.

Was bleibt, sind die Videos, die einen hasserfüllten Mob zeigen. Gegen diese Bilder wollen am Samstagabend Menschen vor der Unterkunft demonstrieren. "Das, was am Donnerstagabend passiert ist, darf nie normal werden", sagt der Grünen-Landesvorsitzende Jürgen Kasek.

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