Thailand:Moment der Menschlichkeit

Das Schicksal der Fußballer in der Höhle berührt etwas, das zunehmend in Vergessenheit gerät.

Von Matthias Drobinski

Sie sitzen im Schlamm, dünnbeinig und barfuß, geblendet von den Scheinwerfern der britischen Taucher: eine Gruppe Jungs und ihr Fußballtrainer, die unrettbar vom Wasser eingeschlossen zu sein schienen in der Höhle im Norden Thailands. Alle leben. Auch wenn sie noch nicht gerettet sind, ist das ein Wunder. Und überall auf der Welt freuen sich Menschen, hoffen und bangen.

Einer der so herzlosen wie wahren Sätze der Aufmerksamkeitsökonomie heißt, je weiter weg etwas ist, desto weniger interessiert es. Hier ist er einmal aufgehoben. Die Angst der Kinder in der Höhle, die Sorge der Eltern ist allen nah - es geht um menschliche Urängste. Und die Taucher stehen für den Mut, das Leben für andere zu riskieren, nicht nach Kosten und Nutzen zu fragen. Das Schicksal der Eingeschlossenen berührt etwas Existenzielles: Die Menschheit kann sich als Menschheit denken. Sie kann mit fremden Menschen hoffen und bangen.

Und für einen Moment schrumpfen die Seehofer-Söder-Merkel-Kämpfe aufs Zwergenhafte; es kehrt das Mitleid mit fremden Menschen zurück, das im Zeitalter der Empathieverdunstung vergessen schien. Und die komplexe Welt reduziert sich auf die einfache Bitte: Sie sollen es schaffen, die Jungs. Es ist ein Moment der Menschlichkeit, nach dem sich viele Menschen sehnen.

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