Terrorverdacht in Wien:Was der Fall Lorenz K. über Europas Sicherheitsstrukturen aussagt

Die Festnahme des 17-jährigen Bombenbauers ist ein Musterbeispiel für gute Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung: Viele Spuren verlaufen aus Österreich nach Deutschland. Die Behörden griffen gemeinsam ein.

Von Hans Leyendecker

Im Dezember vergangenen Jahres bastelte sich der 17-jährige Wiener Islamist Lorenz K., der bei einem Freund zu Besuch war, in einer Neusser Wohnung eine kleine Bombe. Die Anleitung hatte er sich im Internet besorgt. Er sei vorher, das erzählte er in diesen Tagen österreichischen Vernehmern, in ein "Knallergeschäft" in der Stadt am Niederrhein gegangen. Er habe sich "sieben oder acht Rauchbomben" besorgt. Dann habe er eine Uhr gekauft und eine Maisdose sowie ein Paketband. Kabel von Glühlampen, wie sie bei den meisten Weihnachtsbeleuchtungen üblich sind, habe er auch gebraucht.

"Ich wollte einfach schauen, ob ich eine Bombe basteln kann und ob das vor allem mit dem Zeitzünder funktioniert". Eine richtige Bombe wollte er später im rheinland-pfälzischen Ramstein zünden. "Ich hasse das deutsche Militär", hat er bei einer Vernehmung in Wien gesagt. Seine Vernehmungsprotokolle liegen dem Wiener Wochenblatt Falter vor.

Der mutmaßliche Terror-Fall ist sehr deutsch gefärbt

Eigentlich ist der angebliche Terror-Fall, der in diesen Tagen Österreich so stark bewegt hat, sehr deutsch gefärbt. Im Fall des mutmaßlichen oder angeblichen Terrorristen und seiner möglichen Helfer ermitteln Wiener Strafverfolger, die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ist eingeschaltet und auch der Generalbundesanwalt in Karlsruhe lässt sich über alle Entwicklungen in dem Fall berichten. Es gibt in diesem Fall viele Wurzeln in Deutschland.

Das gilt für Neuss, aber auch für andere Orte. Was im Neusser Park passiert sein soll, hat Lorenz K. auch gesagt. Er sei dorthin mit einem Bekannten gegangen, habe den Alarm auf zwei Minuten gestellt und sei davongerannt. Dann sei "die Sache hochgegangen" und der Park sei "voller Rauch" gewesen. Seinem Begleiter, so behauptet er jedenfalls, habe er nur gesagt, dass er für Silvester etwas probieren wollte. Ob das mit dem Begleiter wirklich so war, prüfen Ermittler. Den Vorgang hat offenbar kein unabhängiger Zeuge mitbekommen.

Aus Sicht österreichischer Ermittler war die Geschichte im Neusser Park der Probelauf für einen großen Anschlag. Vermutlich in Wien - wie die Wiener Sicherheitsleute meinen. In seinen Vernehmungen hat K. aber erklärt, er habe nie etwas in Österreich, sondern nur etwas in Deutschland machen wollen. Über angebliche Wiener Anschlagspläne, die er in Wirklichkeit nie gehabt habe, habe er sich nur im Gespräch mit Wiener Freunden geäußert, die er habe beeindrucken wollen. Er habe sich wichtig gemacht.

Lorenz K. hatte in Düsseldorf eine Islamistin geheiratet

Was immer an diesen Erzählungen stimmen mag oder nicht - der Fall des Lorenz K. ist eigentlich ein Beleg dafür, dass die Sicherheitsstruktur in Europa nicht so schlecht ist wie ihr Ruf. Viele Spuren bei dem Versuch der Aufklärung führen nach Deutschland. Und deutsche Ermittler, deutsche Nachrichtendienstler haben eigentlich den Fall ins Rollen gebracht.

Viele Spuren in diesem Fall sind deutsch. Das fängt schon bei den Anfängen an. Lorenz K. hat im vergangenen Jahr eine Islamistin in Düsseldorf geheiratet, die bei den Staatsschützern in NRW als radikal gilt. Sie ist, so die Beobachtungen der NRW-Ermittler, immer stärker in die islamistische Szene abgedriftet. Staatsschützer haben ihren Weg genau verfolgt.

Die Islamistin hat in Düsseldorf einen marokkanischen Verwandten, der von dem islamistischen Getue gar nichts hält. Er wollte Lorenz K. wegjagen. Ihm missfiel sehr, dass der Wiener die Flagge des sogenannten Islamischen Staates als Hintergrund auf seinem Handy und auch auf seinem Siegelring hatte. Für den Marokkaner war das Beweis genug: Der Fremde in der Familie war ein übler Islamist. Ein Beleg für ihn war auch, so hat er später berichtet, dass die junge Frau des Lorenz K. anders als früher voll verschleiert war.

Die Beamten lockten Lorenz K. in eine Falle

Der Verwandte machte dann das, was aus polizeilicher Sicht viel zu selten passiert. Er informierte die Polizei und teilte das Lorenz K. auch mit. Lorenz K. ging in der Not ins Internet. Auf einer Seite für Muslime, die Probleme haben, stellte er seine Situation dar: Bitte helfen. Es meldete sich ein angeblicher Moslem aus Aachen und teilte Lorenz K. mit, dass er ihm helfen könne.

Man traf sich am Aachener Hauptbahnhof. Als Lorenz K. dort ankam, wartete auf ihn kein Helfer, sondern die Polizei. Er war in eine Falle gelockt worden und wurde vernommen. Es gebe gegen ihn einen Terrorverdacht, erklärte ihm ein Ermittler. Die Staatsschützer schauten sich die beiden Handys, die Lorenz K. bei sich hatte, genauer an und schickten ihn dann nach Wien zurück. Die österreichischen Behörden wurden informiert. Verdächtiges war den Deutschen aufgefallen. Auch steuerte ein deutscher Nachrichtendienst Material zu Lorenz K. und seinen deutschen Kontakten bei und schließlich wurde der Wiener am 20. Januar in Wien wegen Terrorverdacht festgenommen.

Was immer Lorenz K. wirklich vorgehabt hat oder nicht - sein Fall hat das Zeug, als Beispiel für gute Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung in Europa zu stehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: