Terrorprozess in Hamburg:Viel wird am Kronzeugen hängen

Terrorprozess in Hamburg: Polizeipräsenz gegen Terror: Spezialkräfte vor dem Wohnhaus eines Syrers, der im Juli 2016 in Ansbach einen Anschlag verübte.

Polizeipräsenz gegen Terror: Spezialkräfte vor dem Wohnhaus eines Syrers, der im Juli 2016 in Ansbach einen Anschlag verübte.

(Foto: Matthias Schrader/AP)
  • Drei mutmaßliche Islamisten aus Syrien stehen von Mitte Juni an in Hamburg vor Gericht.
  • Ihnen wird vorgeworfen, eine Schläferzelle der Terrormiliz Islamischer Staat gebildet zu haben.
  • Gegen die drei Männer wurde mit ungeheurem Aufwand ermittelt. Trotzdem ist die Beweislage schwierig. Viel wird von einem Kronzeugen abhängen.

Von Lena Kampf und Georg Mascolo

Eine Woche, nachdem ein Terroristen-Kommando des sogenannten Islamischen Staates in Paris 130 Menschen ermordet hatte, ging beim Bundesamt für Verfassungsschutz eine alarmierende Meldung ein. Ein Partnerdienst hatte Fotos übermittelt, angeblich weitere Dschihadisten, die als Flüchtlinge getarnt nach Europa gekommen waren. Sie würden nun auf ihren Auftrag zu einem weiteren großen Attentat warten. Ziel, so hieß es, könnte dieses Mal Deutschland sein.

Es folgte die bis dahin umfangreichste Ermittlung gegen Islamisten. Allein die Beamten des Verfassungsschutzes waren 22 587 Stunden im Einsatz, eine Sonderkommission des Bundeskriminalamtes "Galaxy" erwirkte mehr als 130 Beschlüsse, um etwa die Kommunikation der Verdächtigen abzuhören.

Man sei "rechtlich, technisch und tatsächlich" an die Grenzen gekommen, bekannte ein BKA-Mann später vor Abgeordneten des Bundestages. Am Ende habe man mit den drei Festnahmen am 13. September 2016 in Schleswig-Holstein eine mögliche "Schläferzelle" des IS aus dem Verkehr ziehen können, so Bundesinnenminister Thomas de Maizière.

Von Mitte Juni an wird sich zeigen, ob dieser Verdacht belegt werden kann. Ein mühsamer Indizienprozess vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg steht an. Denn trotz der ungeheuer aufwendigen Ermittlungen ist die Beweislage schwierig. Was die drei Männer wirklich planten, ist bis heute unklar.

Hinweise auf Verbindung zu Paris-Attentätern

Mohamed A., 27, Ibrahim M., 19, und Mahir al-H., 18, sollen sich laut Anklageschrift im Herbst 2015 dem IS in dessen syrischer Hochburg Raqqa angeschlossen haben. Von dort brachen sie im November nach Deutschland auf. Zwei von ihnen erhielten gefälschte Pässe.

Die Dokumente stammen aus der Fälscherwerkstatt, die schon Pässe für die Attentäter von Paris erstellt hatte, aber das ist nicht die einzige Parallele, die die Ermittler entdeckten: Die Männer ließen sich von dem Schleuser auf die Insel Lesbos bringen, der wenige Wochen zuvor bereits einige Helfer der Paris-Attentäter geschleust hatte.

Kronzeuge berichtet von Wohnung für künftige Attentäter

Die Syrer trennten sich in Slowenien. Dass sie nach der Einreise nach Deutschland große Anstrengungen unternahmen, an den gleichen Ort zu gelangen, ist für die Strafverfolger heute verdächtig: "Hör zu, morgen werde ich einen Zug nehmen und zu euch kommen. Ich lasse meinen Koffer hier und meine Klamotten", schrieb Mahir al-H. aus Bayern nach Informationen von SZ und NDR an die beiden anderen. Die Männer ließen sich als Flüchtlinge in Boostedt nahe Hamburg registrieren. Hier "hielten sie sich für Aufträge des IS bereit", heißt es in der Anklageschrift des Generalbundesanwalts.

Nachrichten aus Facebook und Whatsapp werten die Ermittler als Indizien für eine Tatplanung: "Deutschland ist das Land der Ungläubigen" und "Hier gibt es nur Erniedrigung. Die Deutschen geben uns Hundefutter zu essen", schrieb etwa Maher al-H. an einen Bekannten. "Er" sei näher gekommen, ein paar Tage noch, dann werde er gehen, man habe sich auf alles geeinigt, heißt es anderer Stelle. Der Chatpartner wird sich später erinnern, dass es um den Tod von al-H. ging.

Verdächtiger mit auffällig "hellen Augen"

Mitte Dezember nahmen Beamte des BKA zu den Männern Kontakt auf, befragten sie zum IS und den gefälschten Papieren. Sofort brachen die drei ihre Kommunikation untereinander ab. Ein Handy, das al-H. in Syrien erhalten hatte, setzte er noch am Abend nach dem ersten Gespräch auf die Werkseinstellungen zurück. Während der folgenden monatelangen Beschattung verhielten sich die drei nun vollkommen unauffällig.

Doch im Mai 2016 gab es in Libanon eine Festnahme, die sich als Glücksfall für die deutschen Ermittler herausstellte. Der libanesische IS-Rückkehrer Mahmoud al-G. will sich zur gleichen Zeit wie Maher al-H. und Mohamed A. in Raqqa aufgehalten haben und behauptete bei einer Befragung, die beiden aus einer konspirativen Wohnung für künftige Attentäter zu kennen. Zumindest al-H. soll eine Ausbildung mit Sprengstoff und Waffen erhalten haben.

Die libanesische Zeitung Al-Akhbar nennt die Aussagen "die gefährlichsten Geständnisse eines der wichtigsten Mitglieder des Islamischen Staates". Im Prozess in Hamburg wird viel von diesem Kronzeugen abhängen. Dieser konnte Mohamed A. auf Fotos aber nicht identifizieren. Er erinnere sich nur an dessen auffällig "helle Augen".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: