Terrorismus:Richter will NSU-Prozess schneller vorantreiben

NSU Prozess

Beate Zschäpe Anfang September im Münchner Oberlandesgericht

(Foto: dpa)

Schlag auf Schlag geht es am 232. Verhandlungstag gegen Beate Zschäpe. Der Richter lehnt zwölf Anträge ab - offenbar hat er sich schon weitgehend ein Urteil gebildet.

Von Annette Ramelsberger

Die Zeugin Meral Keskin ist nicht erschienen. Schon wieder nicht. Einmal hatte die Frau, die beim Nagelbombenattentat in der Kölner Keupstraße verletzt worden war, ihren Flug aus der Türkei nach München verpasst. Einmal war sie auf dem Weg zum Gericht zusammengebrochen. Für diesen Tag ist sie nun zum dritten Mal geladen, aber die Zeugin ist nicht da. Und nun ist es aus mit der Geduld von Richter Manfred Götzl.

Seit 232 Verhandlungstagen befragt er im NSU-Prozess einen Zeugen nach dem anderen, einen Gutachter nach dem anderen. Nun will er von dem Anwalt, der die Frau als Nebenklägerin vertritt, wissen, was los ist. "Ich verstehe die ganze Situation nicht. Sie müssen doch das Verfahren betreiben. Wir müssen weiterkommen", sagt Götzl. "Sie müssen mir definitiv sagen, ob die Frau kommt oder nicht." Oder er greife selbst zum Telefonhörer und rufe die Frau an. Bis morgen hat der Anwalt Zeit.

Götzl will den Prozess beschleunigen. Er hasst Schludereien, Undiszipliniertheit, Verzögerungen. Und dann wird auch noch bekannt, dass sich das Fundbüro Köln-Ehrenfeld beim Gericht gemeldet hat. Auf der Straße sei eine CD mit vertraulichem Akteninhalt gefunden worden, die neuesten Erkenntnisse im NSU-Prozess. Wer von den Kölner Anwälten diese CD vermisse, solle sich beim Fundbüro in Köln melden, sagt Götzl mehr fassungslos als ungnädig.

Schlag auf Schlag lehnt der Richter zwölf Anträge ab

Er selbst macht mit einem wahren Rundumschlag an diesem Tag sehr deutlich, dass er die Beweisaufnahme nun streng beschränken will. Alles soll sich nur noch an der Tat- und Schuldfrage von Beate Zschäpe und den anderen Angeklagten orientieren. Nichts soll sich mehr um mögliche Unterstützer drehen. So lehnt Götzl gleich zwölf Beweisanträge ab, die zum Teil schon Monate auf eine Entscheidung warten.

Zum Beispiel, dass das Gericht weiter ermitteln solle, ob die vom NSU getötete Polizistin Michèle Kiesewetter an polizeilichen Großlagen gegen Rechtsradikale beteiligt war und deshalb gezielt als Opfer ausgewählt worden war - das Gericht sieht den Beweis des Gegenteils bereits als erbracht. Es lehnt auch ab, einen alten Kumpel von Uwe Mundlos als Zeugen zu laden, der angegeben hatte, er habe mit Mundlos schon 1996 ein Asylbewerberheim in Jena ausspioniert.

Sogar der umfangreiche Antrag der Berliner Anwälte um Sebastian Scharmer und Antonia von der Behrens wird abgelehnt, der von allen Beweisanträgen der konkreteste war. Die Berliner wollten zwei Rechtsradikale aus Dortmund als Zeugen hören, einer davon der Brieffreund von Beate Zschäpe, die zum Zeitpunkt des Mordes an dem Dortmunder Kioskbesitzer Mehmet Kubasik eine "Oidoxie Streetfighting Crew" gebildet hatten. Zudem hatten sie engen Kontakt zu Rechtsradikalen aus Kassel, wo kurz nach dem Mord an Mehmet Kubasik auch der junge Halit Yozgat getötet worden war. Die Anwälte von Mehmet Kubasiks und Halit Yozgats Familien gehen von einem größeren Unterstützerkreis des NSU aus, der erst den Hinweis auf den Kiosk gegeben hatte. Diese Aufklärung aber will das Gericht nicht leisten.

Offenbar hat sich das Gericht sein Urteil gebildet

Noch nicht mal einen Rechtsradikalen will das Gericht laden, der kurz nach dem Auffliegen des NSU erklärt hatte, er kenne zwei der Tatwaffen und könne sie identifizieren. Götzl sagte den erstaunlichen Satz: "Für die mögliche Strafbarkeit der angeklagten Taten ist es ohne Bedeutung, von wem eine mögliche Tatwaffe erworben wurde."

"Selbst im Falle einer Bestätigung dieser Beweistatsachen hätten sie keinen Einfluss auf die richterliche Entscheidung. Der Senat hat diese Tatsachen so, als seien sie erwiesen, in die Beweiserhebung eingestellt und prognostisch geprüft, ob sie die bisher gebildete Überzeugung des Gerichts erschüttern würden", sagte Götzl zu vielen der Anträgen. Das sei nicht der Fall. Und zu einer "überschießenden Beweisermittlung" sei das Gericht nicht gezwungen.

Diese Entscheidung bedeutet, dass die Hürden für Anträge der Verteidigung und der Nebenklage nun hoch gelegt sind. Denn der Beweisantrag der Berliner Anwälte war sehr konkret, sie wollen sich mit der Ablehnung auch nicht zufrieden geben.

Offensichtlich will das Gericht nun doch schnell im Prozess voranschreiten. In der Vergangenheit war es vielen Beweisanträgen vor allem zur Unterstützung des NSU durch die Blood-and-Honour-Szene nachgekommen. Nun aber sieht es so aus, als habe es sich sein Urteil schon weitgehend gebildet.

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