Terrorismus:Polizei vereitelt Pläne für Anschlag auf Allawi

Spezialeinheiten der Polizei haben in Deutschland drei Iraker festgenommen. Die mutmaßlichen Mitglieder der Terrorgruppe Ansar al-Islam sollen einen Anschlag auf den irakischen Premierminister Allawi geplant haben, der zurzeit Deutschland besucht.

Generalbundesanwalt Kay Nehm sagte, es habe Hinweise auf "eine erhebliche Gefährdung" Allawis gegeben, Gastgeber Bundeskanzler Gerhard Schröder sei aber den Ermittlungen zufolge nicht in Gefahr gewesen. Nehm wollte nicht sagen, auf welche Weise der geplante Anschlag verübt werden sollte.

Aus Telefonüberwachungen des baden-württembergischen Landeskriminalamtes seien Hinweise auf Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Besuch Allawis deutlich geworden. Unter anderem sei den Ermittlern aufgefallen, dass der abgehörte Verdächtige eine "besondere Hektik" entwickelt habe. Zunächst sei deshalb ein bestimmter Punkt im Besuchsprogramm des Ministerpräsidenten abgesagt worden.

Konkrete Planungen lösten Polizeiaktion aus

Laut Nehm verdichteten sich am Donnerstagabend die Hinweise auf konkrete Anschlagsplanungen in weiteren Telefonaten. Daraufhin hatten Spezialeinheiten der Polizei am frühen Freitagmorgen in Berlin, Stuttgart und Augsburg neun Objekte von Terrorverdächtigen durchsucht und die drei Iraker festgenommen.

"Es deutet einiges darauf hin, dass das nicht eine lang vorbereitete Planung aus Anlass dieses Besuches war, sondern eine Ad-hoc-Entscheidung, hier etwas zu unternehmen." Bei der Razzia seien weder in den Wohnungen noch in Betriebsgebäuden Waffen oder Sprengstoff gefunden worden. "Es wurde nichts gefunden, was dezidiert auf einen Anschlag hindeutet", sagte Nehm. Es handele sich um je zwei Objekte in Berlin und Augsburg sowie fünf in Stuttgart.

Vorbild Taliban

Der Generalbundesanwalt kündigte an, seine Behörde wolle frühestens am Samstag nähere Einzelheiten zu den Personalien der drei festgenommenen Männer mitteilen. Nach Nehms Angaben laufen seit Dezember 2003 umfangreiche Ermittlungen gegen Mitglieder und Unterstützer der 2001 gegründeten Terrorgruppe.

"Sie setzt sich mit Waffengewalt für die Errichtung eines kurdisch-islamistischen Staates nach dem Vorbild der Taliban in Afghanistan ein. In dieser Woche habe ich eine erste Anklage gegen ein Mitglied des Netzwerkes der Ansar al-Islam in Deutschland beim Bayerischen Obersten Landesgericht in München erhoben."

Das Trio sei zusammen mit anderen mutmaßlichen Unterstützern der Terrorgruppe Ansar al-Islam "seit längerem" beobachtet worden. Die Festgenommenen sollen am Samstag dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe vorgeführt werden, der über einen Haftbefehl entscheiden muss.

Razzia in drei Bundesländern

An den Durchsuchungen waren Beamte des Bundeskriminalamts, der Landeskriminalämter Bayern, Baden-Württemberg und Berlin sowie örtliche Polizeikräfte beteiligt. Nehm hatte bereits am Vormittag mitteilen lassen, die Aktion habe dem dem Ziel gedient, "Beweismaterial über Bestehen, Struktur und Arbeitsweise der Vereinigung sowie Hinweise auf konkrete, terroristische Aktivitäten zu gewinnen."

Das Bundeskriminalamt und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg seien mit den weiteren Ermittlungen beauftragt worden. Möglicherweise wird schon in der kommenden Woche Anklage gegen die drei Iraker erhoben.

Besuchsprogramm stark eingeschränkt

Der irakische Premier Ijad Allawi hält sich seit gestern in Berlin auf und traf sich heute mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer. Die Treffen fanden unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Pressetermine und ein Gespräch mit Wirtschaftsvertretern wurden abgesagt. Sogar die protokollarisch vorgesehene militärische Begrüßung im Innenhof des Kanzleramts fiel aus.

Die Terrorgruppe Ansar al-Islam steht nach Einschätzung von Experten mit dem Terrornetzwerk al-Qaida in Verbindung. Die im Dezember 2001 gegründete radikalislamische Gruppe wird für zahlreiche Anschläge im Irak verantwortlich gemacht; einer ihrer führenden Köpfe soll der international gesuchte mutmaßliche Terrorist Abu Mussab al-Sarkawi sein.

Die Gruppe kontrollierte im Nordosten Iraks ein kleines Gebiet, bevor sie im März vergangenen Jahres vom US-Militär dort zerschlagen wurde. Nach Erkenntnissen des bayerischen Verfassungsschutzes leben hunderte Anhänger der verschiedenen Ansar-Splittergruppen in Deutschland. Sie werden schon länger von den deutschen Sicherheitsbehörden beobachtet.

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