Terrorismus:Der Drahtzieher und sein Scout

Abdelhamid Abaaoud

Abdelhamid Abaaoud gilt als Planer der Anschläge vom 13. November in Paris. Er soll Bilal C. den Auftrag erteilt haben zu prüfen, wie IS-Kämpfer nach Europa geschleust werden können.

(Foto: AP)

Bilal C. steht in Verdacht, die Attentäter von Paris unterstützt und für den IS die Balkanroute ausgespäht zu haben.

Von Georg Mascolo, Berlin

Am vergangenen Mittwoch wurde der Algerier Bilal C. in Aachen wegen Ladendiebstahls und Betrugs verurteilt. Es ging um Schuhe, Nahrungsmittel, Kosmetika und das zweifache Kassieren von Zahlungen nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz in Höhe von 780 Euro. Aber kaum war die achtmonatige Jugendstrafe verhängt, da ahnte der 20-Jährige schon, dass seine Probleme mit der Justiz noch viel größer werden könnten. Staatsschützer holten ihn aus der Haft ab und brachten ihn zum Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes, der am Donnerstag Haftbefehl wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung erließ.

Bilal C. steht im Verdacht, die Attentätern von Paris unterstützt zu haben. Von einem ihrer Anführer, Abdelhamid Abaaoud, soll er persönlich den Auftrag erhalten haben, die Balkanroute zu überprüfen. Stimmen die Vorwürfe der Justiz, die sich offenbar auf ausländische Geheimdienst-Informationen stützen und vom Bundesamt für Verfassungsschutz der Justiz übermittelt wurden, wäre der Algerier eine Art Scout gewesen, der für den sogenannten Islamischen Staat herausfinden sollte, ob Teile des Pariser Terror-Kommandos auf diesem Weg sicher nach Europa gelangen könnten.

Tatsächlich waren zwei Attentäter, die sich im November während des Länderspiels Frankreich gegen Deutschland vor dem Stade de France in die Luft sprengten, mit dem Flüchtlingsstrom eingereist. Zwei weitere wurden zunächst wegen auffälliger Papiere von den griechischen Behörden angehalten und landeten so erst nach den Anschlägen in Salzburg. Inzwischen sitzen auch sie in Haft.

Bilal C. soll sich im Juni 2015 aus Syrien auf den Weg über die Balkanroute gemacht haben. Während der dreimonatigen Reise über die Türkei, Griechenland, Serbien, Ungarn und Österreich soll er laut Bundesanwaltschaft in direktem Kontakt zu Abaaoud gestanden haben, meldete, welche Grenzübergänge offen sind, Wartezeiten sowie An- und Abmarschwege. Zuvor soll er beim IS eine Ausbildung an der Waffe erhalten haben. Inzwischen soll es ein Foto geben, das dies beweist. Zu den Verdachtsmomenten gegen Bilal C. zählt auch, dass er im direkten Kontakt zu dem Attentäter auf den Thalys-Schnellzug im August 2015 gestanden haben soll - auch ihn soll er mit Informationen über Schleusungsmöglichkeiten nach Europa geholfen haben.

Der Fall hat in den deutschen Sicherheitsbehörden für Unruhe gesorgt. Ende April war Bilal C. wegen Diebstahls und Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz festgenommen worden. Weitere Überprüfungen ergaben dann den Terrorismus-Verdacht. Bis dahin galt Bilal C. als unverdächtig und verhielt sich nach Angaben aus Behördenkreisen unauffällig. Die jetzigen Erkenntnisse werfen also die Frage auf, ob sich weitere, bislang unbekannte IS-Kämpfer unter den Flüchtlingen verbergen und auftragsgemäß ruhig verhalten. Auf die Spur einer angeblichen Terrorzelle, die einen Anschlag in der Düsseldorfer Altstadt geplant haben soll, waren die Behörden nur durch Zufall gekommen - einer der Verdächtigen legte ein Geständnis bei der Polizei in Paris ab. In diesem Fall ist unklar, ob die Angaben zutreffend sind und ein Attentat tatsächlich geplant war. Die Bundesanwaltschaft ermittelt in der Sache, in Berliner Sicherheitskreisen gibt es erhebliche Zweifel an dem Geständnis.

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