Terrorgefahr:Wie umgehen mit Gefährdern?

Flüchtlinge

Von der Einstufung Marokkos, Algeriens und Tunesiens als sichere Herkunftsländer erhofft sich besonders die Union, dass Asylbewerber schneller abgeschoben werden können.

(Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)
  • Die Regierung will gegen sogenannte islamistische Gefährder vorgehen, doch nicht alle im Raum stehenden Aktionen sind sinnvoll.
  • So eignet sich die elektronische Fußfessel dazu, die Bewegungen eines Menschen zu überwachen, aber nicht, ihn festzuhalten - ein Untertauchen würde sie nicht verhindern.
  • Außerdem im Gespräch sind Abschiebehaft, Sanktionen gegen Herkunftsländer und die Einstufung von Staaten als Sichere Herkunftsländer.

Von Joachim Käppner

Die Debatte über Konsequenzen aus dem Terroranschlag vom 19. Dezember, als auf einem Berliner Weihnachtsmarkt zwölf Menschen starben, schlägt hohe Wellen. Der mutmaßliche Täter, der Tunesier Anis Amri, wurde von den Sicherheitsbehörden als sogenannter islamistischer Gefährder beobachtet, konnte aber trotz eines abgelehnten Asylantrags nicht abgeschoben werden. Mehr als 200 ausländische Gefährder sind dem Bundeskriminalamt bekannt. Auf diese, beziehungsweise auf die Frage, wie man sie los wird, konzentriert sich die Sicherheitsdebatte nun. Eine noch etwas höhere Zahl von Gefährdern hat allerdings deutsche Papiere. Wie sinnvoll ist welche der jetzt diskutierten Aktionen?

Elektronische Fußfessel:

Die elektronische Fußfessel ist genau das nicht, was ihr Name eigentlich verspricht: eine Fessel. Das Gerät, am Fußgelenk eines Menschen montiert, meldet dessen Standort; es hält ihn nicht fest. Zur Kontrolle von Bewährungsauflagen, bei denen ein Haftentlassener etwa sein Haus oder seine Stadt nicht verlassen darf, werden solche Systeme mit Erfolg eingesetzt. Verlässt ein Verurteilter den Bereich seiner Bewegungsfreiheit oder entfernt er das Gerät gewaltsam, löst dies bei den Behörden Alarm aus. Technisch auszutricksen ist das Gerät kaum.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) hatten sich schon 2016 geeinigt, die Fußfessel für Straftäter zuzulassen, wenn diese wegen terroristischer Straftaten verurteilt wurden und ihre Haftstrafe verbüßt haben. So behält der Staat diese Klientel im Blick. Ob die elektronische Fußfessel aber bei islamistischen Gefährdern, die noch nichts verbrochen haben, viel ausrichten würde, ist bei Fachleuten umstritten. Einerseits würde sie der Polizei die Observation des Betreffenden erleichtern und ihm Treffen mit Kontaktleuten stark erschweren. Mehr aber auch nicht: Wer wirklich einen Selbstmordanschlag begehen will, wird sich von der Fußfessel kaum davon abbringen lassen, sondern diese eher entfernen und vorerst abtauchen.

Abschiebehaft:

Ausländische Gefährder, die sich eigentlich gar nicht mehr im Land aufhalten dürften, sollen in Abschiebehaft bleiben. Die Union will hier den zusätzlichen Haftgrund der "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" einführen. Wie bei der Fußfessel erscheint eine Einigung in der Koalition recht leicht. Außerdem solle, so de Maizière am Wochenende, "Abschiebehaft künftig für Gefährder auch dann verhängt werden dürfen, wenn die Herkunftsstaaten bei der Rückführung nicht kooperieren". Dies wäre eine direkte Konsequenz aus dem Berliner Terrorangriff.

Anis Amri war ausreisepflichtig. Die deutschen Behörden durften ihn aber nicht abschieben, weil Tunesien, sein Heimatland, ihm keine Papiere ausstellte; das Land ist wenig geneigt, Extremisten wieder in Empfang zu nehmen. Bislang ist laut Maas Abschiebehaft, die bis zu 18 Monate dauern kann, nur möglich, wenn die Abschiebung als innerhalb von drei Monaten möglich erscheint - was im Fall Anis Amri wegen der fehlenden Papiere angeblich nicht der Fall war. Diese Version der Rechtslage ist aber umstritten.

Sanktionen gegen Herkunftsländer:

Diese Idee ist ebenfalls in Union und SPD verbreitet und sieht ökonomischen Druck auf Länder wie Tunesien vor, die sich weigern, eigene Staatsbürger zurückzunehmen, wenn diese aus Deutschland abgeschoben werden sollen, oder die Sache wie in Amris Fall lange verzögern. Dafür spricht, dass Entwicklungsstaaten schon in Angelegenheiten von größerer Bedeutung solche Sanktionen gescheut haben. Tunesiens Regierung müsste sich entscheiden, welcher Schaden größer wäre: der finanzielle, wenn es tunesische Gefährder aus Deutschland nicht zurücknimmt; oder der innenpolitische, wenn es den Deutschen nachgeben würde - im Land gibt es Demonstrationen gegen die Rückkehr islamistischer Extremisten.

Das hat damit zu tun, dass Tunesien der einzige Vorzeigestaat des Arabischen Frühlings ist. Deshalb warnt Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) vor solchen Sanktionen: Würde die Entwicklungshilfe für Ausbildungsprogramme reduziert, wachse der Druck auf junge Menschen mit schlechter Perspektive, ihr Land zu verlassen. Hinzu kommt, dass derlei Sanktionen gerade in Staaten am wenigsten greifen, aus denen die meisten Menschen fliehen, etwa Syrien. Dort regieren Krieg, Chaos und Willkür, was eine Abschiebung dorthin juristisch erschwert oder unmöglich macht.

Sichere Herkunftsstaaten:

Hier geht es nicht nur, aber auch um "Gefährder". Von der Einstufung der nordafrikanischen Staaten Marokko, Algerien und Tunesien erhofft sich besonders die Union, dass Asylbewerber leichter abgelehnt und schneller abgeschoben werden können. Inzwischen spricht sich auch Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann dafür aus, das vom Bundestag bereits beschlossene Gesetz im Bundesrat durchgehen zu lassen. Seine Partei lehnt dies aber ab, und in der Länderkammer hat das Gesetz keine Mehrheit, denn in elf von 16 Bundesländern sind die Grünen an der Regierung beteiligt. Selbst wenn sie nachgeben sollten, bliebe die Frage, ob höchste Gerichte die drei Maghreb-Staaten wirklich als sicher anerkennen würden.

Nach dem Sturz der tunesischen Diktatur 2011 und dem Ende des algerischen Bürgerkrieges 2002 hat sich die Situation in diesen Staaten deutlich verbessert; die Frage ist jedoch, ob dies ausreicht. Amnesty International lehnt das Gesetz ab wegen anhaltender Verstöße gegen die Menschenrechte: "Wenn die deutsche Politik Länder wie Marokko, Tunesien und Algerien für 'sicher' erklärt, verschließt sie die Augen vor der tatsächlichen Situation."

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