Terroranschlag in der Türkei:"Der Einarmige" soll hinter Anschlag in Istanbul stecken

Terroranschlag in der Türkei: Kämpfer aus dem Kaukasus: Ahmed Tschatajew.

Kämpfer aus dem Kaukasus: Ahmed Tschatajew.

  • Der tschetschenische IS-Kämpfer Achmed Tschatajew wird verdächtigt, den Anschlag auf den Istanbuler Flughafen organisiert zu haben.
  • Tschatajew, genannt "der Einarmige", soll ein führender Kopf des Kriegsministeriums der Terrormiliz Islamischer Staat sein.
  • In den vergangenen Jahren wurde Tschatajew mehrfach verhaftet, kam jedoch immer wieder frei.

Von Julian Hans und Mike Szymanski, Moskau/Istanbul

Der Mann, der als Organisator des Anschlags auf den Istanbuler Flughafen verdächtigt wird, ist kein Unbekannter. Immer wieder ist er Ermittlern ins Netz gegangen, meistens ging es um Waffenbesitz und Terrorverdacht - und immer wieder kam er bald wieder frei. Der Vorsitzende des Heimatschutz-Ausschusses im US-Repräsentantenhaus, Michael McCaul, sagte dem Fernsehsender CNN, es handle sich um Achmed Tschatajew. Dieser sei bekannt als führender Kopf des Kriegsministeriums der Terrormiliz Islamischer Staat, die Teile Syriens und des Iraks kontrolliert. Der Name Tschatajew war bereits in türkischen und russischen Medien im Umlauf. Weder Ankara noch Moskau bestätigten zunächst den Verdacht.

Tschatajew, genannt der Einarmige, wurde 1980 in einem Dorf im Kaukasus geboren, das heute zu Tschetschenien gehört. Den Erkenntnissen des russischen Geheimdienstes zufolge kämpfte er in beiden Tschetschenien-Kriegen gegen die russische Armee. 2003 erhielt Tschatajew in Österreich Asyl. Im Verfahren hatte er vorgebracht, dass er durch Folter einen Arm verloren habe.

2008 wurde Tschatajew in Schweden zu 16 Monaten Haft verurteilt, weil er eine Maschinenpistole, zwei Pistolen, Munition und Schalldämpfer ins Land schmuggeln wollte. Tschatajew hatte behauptet, die Waffen seien ihm untergeschoben worden. 2009 wurde er freigelassen. Zwei Jahre später wurde er wieder festgenommen, diesmal an der bulgarisch-türkischen Grenze. Die Behörden verdächtigten ihn, Kämpfer und Geld für Terrororganisationen eingeworben zu haben. Ein Auslieferungsgesuch Russlands wurde abgelehnt. Gemäß Genfer Flüchtlingskonvention dürfen anerkannte Flüchtlinge nicht an das Land ausgeliefert werden, aus dem sie geflohen sind.

Ein leichtes Ziel für islamistische Agitation

2012 tauchte Tschatajew dann in Georgien auf. Ein Spezialkommando ergriff ihn im Grenzgebiet zu Russland. Der Einarmige bot sich als Vermittler an, wurde angeschossen und verlor auch noch einen Fuß. Ein Gericht in Tiflis sprach ihn später frei. Der russische Geheimdienst FSB war seinerzeit überzeugt, Tschatajew sei ein enger Verbündeter des Anführers der Islamisten im Nordkaukasus, Doku Umarow. Nach dessen Tod habe er sich dem IS in Syrien angeschlossen.

Umarow hatte 2007 ein "Kaukasus-Emirat" ausgerufen. Als dessen Führung zerfiel, war der Zeitpunkt für den IS günstig, in das Vakuum zu stoßen. Im vergangenen Jahr schworen Terroristen in Dagestan, Tschetschenien, Inguschetien und Kabardino-Balkarien dem IS-Führer Abu Bakr al-Bagdadi die Treue.

Als die Polizei in Istanbul vor einem Jahr zwei Terrorverdächtige aus Russland festnahm, sagten diese aus, sie hätten in Tschatajews Auftrag in der früheren Sowjetunion Nachwuchs für den IS geworben. Wanderarbeiter aus Zentralasien und dem Nordkaukasus, die auf den Baustellen russischer Großstädte ausgebeutet werden, sind ein leichtes Ziel für islamistische Agitation. Die beiden Festgenommenen sollen ausgesagt haben, dass die in Russland geworbenen Männer in der Türkei mit neuen Papieren versorgt und nach Syrien geschleust wurden.

Die türkische Polizei führte am Freitag ihre Anti-Terror-Einsätze fort. Die Zeitung Habertürk berichtete, die Polizei habe im Istanbuler Stadtteil Başakşehir eine IS-Zelle hochgenommen, die mit den Flughafenattentätern zu tun gehabt haben soll. Elf ausländische IS-Kämpfer seien festgenommen worden, darunter wohl mindestens zwei russische Staatsbürger. Auch einer der drei Selbstmordattentäter sei russischer Staatsbürger gewesen, erklärte am Donnerstag ein türkischer Regierungsvertreter. Die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete am Freitag von zwei russischen Staatsbürgern. Der Anschlag trifft die Türkei in einem Moment, in dem Recep Tayyip Erdoğan gerade begonnen hatte, die Beziehungen zu Russland wiederzubeleben. Im Entschuldigungsschreiben des türkischen Präsidenten, das der Kreml am Montag veröffentlichte, warb er darum, wieder als strategische Partner zusammenzuarbeiten. Im vergangenen November hatten türkische Piloten im Grenzgebiet zu Syrien einen russischen Kampfjet abgeschossen. Moskau fror die Beziehungen ein und verhängte Wirtschaftssanktionen. Ein Verbot von Pauschalreisen in die Türkei begründete Russland mit der Terrorgefahr im Land. Nach einem Telefonat mit Erdoğan hob Wladimir Putin die Sanktionen gegen die Türkei am Donnerstag wieder auf, zwei Tage nach dem Anschlag, bei dem 47 Menschen starben und mehr als 230 verletzt wurden.

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