Terroranschlag bei Lyon:Wie die Frau des Verdächtigen von dem Anschlag erfuhr

Terroranschlag bei Lyon: Französische Spezialkräfte eskorieren eine nicht-identifizierte Frau aus dem Haus in Saint-Priest bei Lyon, wo der mutmaßliche Attentäter lebte.

Französische Spezialkräfte eskorieren eine nicht-identifizierte Frau aus dem Haus in Saint-Priest bei Lyon, wo der mutmaßliche Attentäter lebte.

(Foto: AFP)

Neben dem mutmaßlichen Attentäter Yassin Salhi haben die französischen Behörden auch dessen Frau in Gewahrsam genommen. Sie erfuhr von den Ereignissen in Saint-Quentin-Fallavier von dem Anruf eines Journalisten. Der Sender Europe 1 hat das Gespräch veröffentlicht.

Von Lena Jakat

Am Freitagmittag wählt ein Reporter des französischen Radiosender Europe 1 eine Telefonnummer in der 42 000-Einwohner-Stadt Saint-Priest im Ballungsraum von Lyon. Es ist die Telefonnummer der Familie Salhi. Kurz zuvor hat Frankreichs Innenminister mitgeteilt, dass es Yassin Salhi war, der einen mutmaßlich islamistischen Anschlag auf eine Gasfabrik nahe Lyon verübt hat.

Seine Frau geht ans Telefon, "Sind Sie auf dem Laufenden?", beginnt der Journalist. Mit der Antwort nimmt das Gespräch eine verheerende Wende wie auf der Website des Senders nachzuhören ist. "Ich weiß nicht, was da passiert ist", sagt die Frau; ihre Schwägerin sei hier und habe sie unter Tränen gebeten, den Fernseher einzuschalten. "Erklären Sie mir, was geschieht!", fordert die Frau. Der Reporter zögert, am anderen Ende der Leitung ist im Hintergrund Kindergeschrei zu hören.

Die Person, die verhaftet wurde, erklärt der Reporter, sei als Yassin Salhi identifiziert worden. "Er wurde verhaftet?", fragt die Frau ungläubig. "Er ist doch heute Morgen um sieben zur Arbeit losgefahren ..." Der Schock ist ihr anzuhören, als sie immer wieder sagt, der Vortag und der Morgen seien doch ganz normal verlaufen, sie seien eine ganz normale Familie, die normal lebte. "Was ich da im Fernsehen sehe, das ist unmöglich."

"Sind Sie sich sicher?", fragt sie den Reporter und greift zum Handy, wählt die Nummer ihres Mannes. Die Mailbox springt an.

"Warum hat der Innenminister mich nicht angerufen?", fragt die Frau den unbekannten Anrufer. "Wann sagen Sie wurde er festgenommen?" Der Journalist scheint ob der Fassungslosigkeit der Frau selbst nach und nach aus dem Konzept zu geraten. "Ist er religiös?", will er noch über ihren Mann wissen. "Ja, wir sind Muslime", sagt die Frau. "Ist er besonders religiös?" hakt der Anrufer nach. "Normal", sagt die Frau. "Wir befolgen den Ramadan, ganz normal."

"Okay", sagt der Reporter noch. Wenig später ist das Gespräch vorbei; kurz darauf werden die Frau und ihre Schwägerin selbst von der Polizei in Gewahrsam genommen. Über den mutmaßlichen Attentäter ist noch nicht viel bekannt. In Saint-Priest, wo sich die Familie Ende 2014 niedergelassen hatte, war Yassin Salhi als guter Nachbar bekannt.

Er arbeitete als Lieferfahrer einer Firma, die Zugang zu dem Gelände der Firma Air Products hatte, die auf die Herstellung von Industriegasen spezialisiert ist. Der 35-Jährige ist nicht vorbestraft. Bekannt ist aber, dass er Verbindungen zu salafistischen Organisationen hatte. Die Behörden hatten ihn deshalb 2006 als potenzielle Gefahr für die Sicherheit eingestuft und eine Akte angelegt, die 2008 nicht fortgeführt wurde.

Nachbarn schilderten den dreifachen Familienvater als höflich, immer hilfsbereit, aber sehr zurückhaltend. "Er war wie wir alle und hatte einen Job. Er spielte manchmal Fußball mit seinen und meinen Kindern."

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