Terroranschläge in Paris:Europa jagt die Drahtzieher 

Frankreich identifiziert den Belgier Abdelhamid Abaaoud als Hintermann der Attacken in Paris.

Von Stefan Kornelius, Paul-Anton Krüger

Die Terroranschläge von Paris sind nach Überzeugung der französischen Ermittler maßgeblich von Syrien aus organisiert worden. Sie identifizierten Abdelhamid Abaaoud, einen Belgier marokkanischer Herkunft, als mutmaßlichen Hintermann der Attacken. Der 28-Jährige hatte sich 2013 in Syrien der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen und wurde dort wegen seiner Internetaktivitäten unter dem Namen Abu Omar Soussi zu einem der bekanntesten ausländischen Kämpfer.

Seitdem reiste er offenbar ungehindert mehrere Male zwischen Syrien und Belgien hin und her. Er soll mit mindestens zwei verhinderten Anschlägen in Frankreich im April und August zu tun gehabt haben sowie mit der Attacke auf einen Thalys-Schnellzug am 21. August und dem Anschlag auf das jüdische Museum in Brüssel im Mai vergangenen Jahres. Die französische Luftwaffe flog in der Nacht zum Montag massive Angriffe auf die IS-Hochburg Raqqa in Syrien, die möglicherweise auch Abdelhamid Abaaoud zum Ziel hatten.

Minute of silence in memory of the attacks in Paris

In Trauer vereint: Angeführt von Staatspräsident François Hollande und seinen Ministern gedachte Frankreich der Opfer der Anschläge.

(Foto: Stephane De Sakutin/dpa)

Er stammt aus dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek, in dem auch drei Brüder lebten, die mit der Tat in Verbindung stehen. Einer von ihnen, Ibrahim Abdeslam, 31, hatte sich in dem Café Comptoir Voltaire in die Luft gesprengt. Nach seinem Bruder Salah Abdeslam, 26, fahndete die Polizei am Montag mit internationalem Haftbefehl. Er soll den schwarzen VW Polo angemietet haben, mit dem drei andere Attentäter zum Bataclan gefahren waren, dem Konzertsaal, in dem mindestens 92 Menschen starben. Meldungen, er sei in Belgien verhaftet worden, bewahrheiteten sich zunächst nicht. Der dritte Bruder wurde in Brüssel zwischenzeitlich festgenommen. Die belgische Justiz eröffnete gegen zwei Verdächtige Strafverfahren wegen eines "Terroranschlags und der Teilnahme an den Aktivitäten einer Terrorgruppe".

Die französische Polizei identifizierte zudem fünf der mindestens sieben Attentäter. Einer von ihnen, der sich vor dem Stade de France in die Luft sprengte und einen weiteren Menschen mit in den Tod riss, ist laut dem ermittelnden Staatsanwalt François Molins offenbar über die gleiche Route nach Westeuropa gelangt wie Hunderttausende Syrien-Flüchtlinge.

Der Mann trug einen syrischen Pass auf den Namen Ahmad al-Mohammad bei sich. Die Fingerabdrücke, die von seinen Überresten genommen wurden, gleichen jenen, die einem Mann bei der Registrierung auf der griechischen Insel Leros abgenommen wurden und jenen, die auf dem Dokument gesichert wurden, sagte Molins. Laut Justizministerin Christiane Taubira ist der Pass vermutlich gefälscht. Zwar zeigt das Bild nach Angaben aus Ermittler-Kreisen den Attentäter, ob der im Pass genannte Name korrekt ist und der Mann Syrer war, stand nicht fest. Die serbische Zeitung Blic meldete zudem, in Serbien sei ein Mann mit einem syrischen Pass festgenommen, der identische Personaldaten trage wie der in Paris gefundene Ausweis.

Frankreichs Präsident François Hollande will nach den Anschlägen den UN-Sicherheitsrat im Kampf gegen den IS anrufen. Die Organisation zu zerstören sei eine Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, sagte er in einer Sitzung des Kongresses in Versailles. Die Staats- und Regierungschefs der führenden Industrie- und Schwellenländer einigten sich auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Terror. Beim G-20-Gipfel in Antalya beschlossen sie Anstrengungen, um die Terroristen von ihren Geldquellen abzuschneiden, mehr Geheimdienstinformationen zu teilen und die Grenzen Europas schärfer zu kontrollieren. Die Teilnehmer seien sich einig, dass militärische Mittel allein nicht ausreichen würden, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Das Auswärtige Amt in Berlin teilte mit, dass nach den Anschlägen von Paris ein zweites deutsches Todesopfer identifiziert worden sei. Inzwischen entbrannte eine Debatte, ob die Attacken zu vermeiden gewesen wären. CIA-Direktor John Brennan sagte, die Attentate seien "keine Überraschung". Es habe Warnungen gegeben, dass "Pläne des IS am Laufen waren", sagte er auf einem außenpolitischen Forum in Washington. Die Zahl der Terrorakte habe sich in den vergangenen Monaten erhöht. Erschwert werde der Schutz vor Anschlägen auch von der "Leichtigkeit, mit der man sich im Schengen-Raum bewegen" könne. Doch sprach er sich gegen die Schließung der Grenzen aus. Der CIA-Chef warnte vor neuen Terrorakten. Bei den Attentaten von Paris handele es sich "mit Sicherheit" nicht um einen einmaligen Vorgang. Ähnlich äußerte sich Frankreichs Premier Manuel Valls. Weitere Anschläge würden nicht nur in Frankreich vorbereitet, sondern auch in anderen Ländern Europas. In einer neuen Videobotschaft drohte der IS Frankreich und seinen Verbündeten mit neuen Angriffen, Rom und Washington wurden dabei genannt.

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