Terroranschläge in Brüssel:Mit Gesetzen gegen Terroristen

Was Europa plant, um sich vor dem Terror zu schützen.

Von Markus C. Schulte von Drach

Nach den Terroranschlägen in Brüssel haben europäische Länder, aber auch Russland und die USA Sicherheitsvorkehrungen an Grenzübergängen, Bahnhöfen und Flughäfen verstärkt. Diese kurzfristigen Maßnahmen sollen weitere Anschläge unmittelbar verhindern und helfen, Täter und Hintermänner aufzuspüren. Um Anschlägen vorzubeugen, haben die Europäer aber schon nach den Anschlägen vom 11. September 2001 Sicherheitsbestimmungen und Gesetze verschärft. Insbesondere nach den Attentaten von Paris hat sich in Frankreich, Belgien und Deutschland auch noch einiges getan.

Deutschland

In Deutschland kontrolliert die Bundespolizei derzeit verstärkt insbesondere die Grenzen zu Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Luxemburg. Auch an Flughäfen und Bahnhöfen sind mehr Polizisten im Einsatz, die zudem stärker bewaffnet und mit Schutzwesten ausgerüstet sind. Der Bahnverkehr nach Belgien wurde eingestellt, Flüge werden umgeleitet. Allerdings soll sich der Verkehr bald wieder normalisieren.

Insgesamt wird die Gefahr von Anschlägen in Deutschland schon seit Monaten als hoch eingeschätzt. Dem Verfassungsschutz zufolge gehen bei den Sicherheitsbehörden täglich Hinweise auf mögliche Anschlagsversuche ein. Konkrete Hinweise auf mögliche Attentate gibt es derzeit aber offenbar nicht. "Wir haben keine Hinweise auf eine Sicherheitsgefährdung", sagte Innenminister Thomas de Maizière dem "RTL Nachtjournal". Auch weise bislang nichts darauf hin, dass es bei den Anschlägen in Brüssel einen "Deutschland-Bezug" gebe.

Als längerfristige Maßnahmen gegen den Terror hat der Innenminister einen verstärkten Datenaustausch der Sicherheitsbehörden in Europa angemahnt. "Wir müssen die Informationen austauschen, die da sind", sagte er am Dienstagabend im ZDF. Dies werde dadurch erschwert, dass es in Europa "getrennte Datentöpfe" gebe. Es habe seit dem Anschlag auf die französische Satirezeitung Charlie Hebdo im Januar 2015 zwar Verbesserungen beim Datenaustausch im Schengenraum gegeben. Diese reichten aber noch nicht aus. Er habe jüngst erst eine entsprechende Initiative nach Brüssel zur EU-Kommission geschickt.

Scharfe Anti-Terror-Gesetze seit 2011

Bereits nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurden scharfe Anti-Terror-Gesetze verabschiedet, deren Geltung der Bundesrat zuletzt im November 2015 bis 2021 verlängert hat. Demnach müssen Ämter sowie Banken, Fluggesellschaften und Telekommunikationsfirmen den Sicherheitsbehörden Auskunft erteilen, wenn gegen eine bestimmte Person ein Terrorverdacht besteht.

Im April vergangenen Jahres, nach dem Anschlag auf die Charlie Hebdo-Redaktion in Paris, verabschiedete der Bundestag weitere Anti-Terror-Gesetze. So können die Behörden nun Islamisten, die als gefährlich gelten, den Personalausweis für drei Jahre entziehen. Damit soll verhindert werden, dass sie sich etwa dem sogenannten "Islamischen Staat" anschließen. Das haben bislang bereits etwa 800 deutsche Bürger getan, von denen ein Drittel wieder zurückgekehrt sein soll.

Eine Reise oder der Versuch einer Reise nach Syrien oder in den Irak kann nun mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden, wenn der Betreffende sich dort Terroristen anschließen will. Außerdem ist die Terrorismusfinanzierung nun strafbar.

Im Dezember 2015 wurden fast 450 Personen als mögliche islamistische Gefährder eingestuft, deren Aufenthaltsort die Sicherheitsbehörden regelmäßig kontrollieren. Weitere etwa 1100 Personen werden als "relevante Personen" eingestuft, die im Verdacht stehen, sie könnten Straftaten fördern oder unterstützen. Dazu kommen die Syrien-Rückkehrer, die nur dann überwacht werden können, wenn es klare Hinweise auf begangene oder geplante Straftaten gibt.

Inzwischen häufen sich die Hinweise befreundeter Sicherheitsbehörden im Ausland auf mögliche Terroristen in Deutschland. So führte ein Tipp aus Algerien zur Überwachung einiger Männer, von denen einer bei einer Großrazzia im Sauerland wegen Terrorverdachts festgenommen wurde. Konkrete Anschlagspläne konnten dem Algerier allerdings nicht nachgewiesen werden. Der mutmaßliche Attentäter von Paris, Salah Abdeslam, dagegen war den Sicherheitsbehörden in Deutschland offenbar nicht aufgefallen. Anfang Oktober, sechs Wochen vor dem Anschlag in der französischen Hauptstadt, war er in Ulm unterwegs und hatte dort mit einem Mietwagen möglicherweise Komplizen abgeholt.

Belgien

In Belgien gilt seit den Anschlägen in Brüssel die höchste Terrorwarnstufe. Das war bereits nach den Anschlägen von Paris im November 2015 der Fall. Der Flughafen Brüssel-Zaventem wurde geschlossen, der öffentliche Nahverkehr vorübergehend komplett eingestellt. Schwer bewaffnete Sicherheitskräfte kontrollieren öffentliche Räume, der Schutz von EU- und Nato-Gebäuden wurde verstärkt. In den Atomkraftwerken wurde die Belegschaft auf das notwendige Minimum reduziert, die Anlagen werden von zusätzlichen Sicherheitsleuten bewacht.

Der Schienenverkehr in Brüssel wurde inzwischen zum Teil wieder aufgenommen, auch der Thalys-Zug, der von Amsterdam aus Brüssel anfährt, ist wieder unterwegs. Vorerst halten die internationalen Züge nicht am Flughafen. Dieser soll am Donnerstag wieder öffnen. Belgien hat um ein Sondertreffen der für Innere Sicherheit zuständigen EU-Minister gebeten, das für die nächsten Tage geplant ist. Ein solches Treffen hatte auch nach den Anschlägen im November in Paris stattgefunden.

Neue Sicherheitsgesetze bereits geplant

Die Regierung in Brüssel hat bereits nach den Anschlägen von Paris im November einen Plan für neue Sicherheitsgesetze vorgelegt. So sollen Belgier, die in Syrien gekämpft haben, nach einer Rückkehr in Haft kommen. Zwar soll das jeweils von einem Richter angeordnet werden, es sollte aber Premier Charles Michel zufolge "so oft wie möglich" geschehen. Insgesamt wird die Zahl der Belgier, die nach Syrien gereist sind, auf 500 oder mehr geschätzt. Unter den Rückkehrern war auch der Belgier Abdelhamid Abaaoud, der von Brüssel aus die Anschläge von Paris vorbereitet haben soll.

Sogenannte Gefährder, so der Plan der Regierung, sollen elektronische Fußfesseln tragen, um sie überwachen zu können. Terrorverdächtige sollen für 72 Stunden in Untersuchungshaft genommen werden dürfen statt wie bisher nur einen Tag. Darüber sollen das Internet und Telefonverbindungen deutlich stärker überwacht werden. Der anonyme Kauf von Handy-SIM-Karten soll verboten werden. Darüber hinaus will Belgien alle Flug- und Bahnreisenden in einem Passagierdatensystem registrieren und ein elektronisches Stimmenregister anlegen.

Im März 2016 hat Belgiens Justizminister gemeinsam mit seinen Kollegen der übrigen EU-Mitgliedstaaten eine neue EU-Richtlinie zum Kampf gegen den Terror beschlossen. Demnach soll, wie in Deutschland bereits jetzt, die finanzielle Unterstützung eines Terrornetzwerkes bestraft werden. Die neue Richtlinie dient dazu, eine entsprechende Resolution der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2014 in europäisches Recht umzusetzen.

Frankreich

In Frankreich werden derzeit die Grenzen und wichtige Verkehrsknotenpunkte mit 1600 zusätzlichen Polizisten kontrolliert. Bereits seit November sind dort 5000 Beamte mehr im Einsatz als vor den Anschlägen von Paris. Auch an Flughäfen wurden die Kontrollen verstärkt. Es herrscht allerdings sowieso Ausnahmezustand, der erst jüngst verlängert wurde. Premierminister Manuel Valls hat das Europäische Parlament aufgefordert, möglichst rasch die umstrittene Speicherung und Auswertung europäischer Fluggastdaten zu genehmigen. Es habe damit schon zu lange gewartet.

Umstrittener Ausnahmezustand

Seit den Anschlägen vom 13. November in Paris herrscht im Land der Ausnahmezustand, der im Februar bis Ende Mai verlängert wurde. Es ist den Sicherheitsbehörden nun erlaubt, ohne richterlichen Beschluss Wohnungen zu durchsuchen, es gibt ein Versammlungsverbot und mögliche Gefährder können unter Hausarrest gestellt werden. Bereits bis zur Verlängerung des Ausnahmezustands sind mehr als 3200 Wohnungen durchsucht und mehr als 400 Personen unter Hausarrest gestellt worden - ohne dass ein Terrorverdächtiger gefasst worden wäre. Menschenrechtler und etliche Oppositionelle kritisieren die Maßnahmen als gefährliche Eingriffe in die Bürgerrechte. Deshalb sind sie auch dagegen, dass der Ausnahmezustand in die Verfassung aufgenommen werden soll, wie es Präsident François Hollande fordert.

Eine weitere Maßnahme der Regierung ist, verurteilten Terroristen die französische Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Bei Franzosen ohne doppelte Staatsbürgerschaft würde dies zur Staatenlosigkeit führen.

Wie alle EU-Länder hat Frankreich im März 2016 die EU-Richtlinie zu schärferen Antiterrorgesetzen beschlossen, die besagt, dass die finanzielle Unterstützung eines Terrornetzwerkes, der Aufenthalt in einem Terrorcamp und der Kampf für eine Terrorgruppe eine Straftat ist. Die neue Richtlinie soll eine entsprechende Resolution der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2014 in europäisches Recht umsetzen.

Europäische Union

Bereits nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte die EU einen Aktionsplan zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Seit 2005 ist er Teil einer europäischen Strategie zur Terrorismusbekämpfung. Ein wichtiger Teil ist der Informationsaustausch - etwa über Fluggastdaten - und die Vernetzung polizeilicher Datenbanken. Trotzdem hat Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière nach den Anschlägen von Brüssel einmal mehr einen besseren Austausch von Informationen zwischen den Sicherheitsbehörden der europäischen Länder gefordert.

Wertvolle Arbeit könnte hier die europäische Polizeibehörde Europol leisten. Im Januar 2016 hat die EU innerhalb von Europol zudem ein "Europäisches Zentrum zur Terrorismusbekämpfung" (ECTC) eingerichtet, in dem derzeit 44 Experten für einen besseren Informationsaustausch und eine engere Kooperation zwischen den verschiedenen Einrichtungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten sorgen sollen. Allerdings sind die Aufgaben eingeschränkt. So soll die Behörde vor allem helfen, die etwa 5000 europäischen Kämpfer des sogenannten Islamischen Staates zu identifizieren. Darüber hinaus wird das ECTC gegen die Terrorismusfinanzierung, gegen gewalttätige extremistische Online-Inhalte und den illegalen Handel mit Schusswaffen vorgehen.

Im März 2016 haben die EU-Justizminister zudem eine neue Richtlinie zur Verschärfung der Anti-Terror-Gesetze beschlossen. Damit sollen endlich einheitliche Regelungen für die ganze EU eingeführt werden, entsprechend einer Resolution der UN von 2014.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: