Terrorabwehr:Widerstand gegen neues BKA-Gesetz

Das BKA soll mehr Befugnisse zur Terrorabwehr bekommen. Doch bei den Polizeigewerkschaften rührt sich Widerstand. Auch einige Bundesländer lehnen das Gesetz ab.

Die drei deutschen Polizeigewerkschaften haben das geplante BKA-Gesetz massiv kritisiert und die Bundesregierung aufgefordert, sich Nachbesserungen nicht länger zu verschließen. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung zu den Plänen der großen Koalition: "Wer mit dem BKA-Gesetz in der Hand mit dem Kopf durch die Wand will, der steht am Ende mit leeren Händen da."

Terrorabwehr: Union und SPD ließen das BKA-Gesetz trotz einhelligen Protestes der Opposition im Bundestag in leicht entschärfter Form passieren. Nun steht das Gesetz schon wieder auf der Kippe und landet wohl im Vermittlungsausschuss.

Union und SPD ließen das BKA-Gesetz trotz einhelligen Protestes der Opposition im Bundestag in leicht entschärfter Form passieren. Nun steht das Gesetz schon wieder auf der Kippe und landet wohl im Vermittlungsausschuss.

(Foto: Foto: dpa)

Das Bundeskriminalamt benötige ein rechtstaatlich einwandfreies Gesetz, das vor dem Verfassungsgericht Bestand habe. Wendt hält insbesondere die Vorschriften zur Online-Durchsuchung für misslungen. Bei Online-Razzien müsse von Anfang an ein Richter dabei sein.

Ähnlich äußerte sich die Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg. Er warf der Bundesregierung vor, bei der Kontrolle von Online-Durchsuchungen eine "Billig-Lösung" anzustreben. "Man ist offensichtlich nicht bereit, für die Kontrolle von Online-Durchsuchungen neue Richterstellen zu schaffen", sagte Freiberg der Zeitung.

Ein effektiver Rechtsstaat habe aber seinen Preis, die geplante Selbstkontrolle des Bundeskriminalamtes sei unzureichend, kritisierte Freiberg. Wie Wendt forderte er die Koalition auf, "das BKA-Gesetz in den anstehenden Verhandlungen mit den Ländern noch entscheidend zu verbessern".

Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sprach sich für Nachbesserungen aus. "Union und SPD haben in einigen Punkten faule politische Kompromisse gemacht, die vom Tisch gehören", sagte BDK-Chef Klaus Jansen der Neuen Osnabrücker Zeitung. So sei es aus fachlicher Sicht nicht notwendig, dem BKA Online-Durchsuchungen auch ohne vorherigen richterlichen Beschluss zu ermöglichen, weil "Eilfälle in der Praxis kaum denkbar sind".

Der Deutsche Richterbund bekräftigte ebenfalls seine Bedenken. Der Vorsitzende Christoph Frank sagte, er halte eine "möglichst effektive justizielle Kontrolle" der Online-Durchsuchung wegen der Schwere des Grundrechts-Eingriffs für unverzichtbar. Ob der absolut geschützte Kernbereich der Privatsphäre bei Durchsuchungen betroffen sei, müsse ein unabhängiger Richter beurteilen.

BKA-Chef lehnt Änderungen ab

Der Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, sprach sich unterdessen gegen Änderungen am BKA-Gesetz aus. Ziercke sagte im RBB-Inforadio, er sehe möglichen Verhandlungen im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zwar gelassen entgegen. Aber "wenn es noch weitere Kompromisse geben sollte, gerade bei der Online-Durchsuchung, dann machen wir im Grunde die Online-Durchsuchung unbrauchbar".

Diese sei ohnehin schon dadurch stark eingeschränkt, dass die Wohnungen Verdächtiger nicht betreten werden dürften, sagte Ziercke.

Deshalb müsse es die geplante Regelung von Eilfällen geben, forderte der BKA-Chef. "Wir brauchen das schmale Zeitfenster, wenn eine Terror-verdächtige Person online ist, um dann von Sekunde zu Sekunde entscheiden zu können, eine Online-Durchsuchung durchzuführen".

Unterdessen wird die Zustimmung des Bundesrates zum umstrittenen BKA-Gesetz wird immer unwahrscheinlicher. Nach der SPD in Sachsen und Schleswig-Holstein haben jetzt auch die Sozialdemokraten in Sachsen- Anhalt Widerstand gegen das Gesetz zur Ausweitung der Befugnisse des Bundeskrimalamts zur Terrorabwehr angekündigt.

Keine Zustimmung im Bundesrat

"Ich gehe davon aus, dass wir dem Gesetz nicht zustimmen werden", sagte Franz Stänner, der Sprecher des stellvertretenden Ministerpräsidenten Jens Bullerjahn (SPD), der Berliner Zeitung. Eine entsprechende Vereinbarung mit dem Koalitionspartner CDU gebe es aber noch nicht.

Am Sonntag hatte ein SPD-Landesparteitag in Sachsen die SPD-Vertreter in der schwarz-roten Landesregierung aufgefordert, das Gesetz abzulehnen. Auch in der schwarz-roten Landesregierung in Schleswig-Holstein verlangt die SPD Nachbesserungen. Sie will daher den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anrufen.

Die Bundes-CDU hat jedoch nachträglichen Änderungen bereits eine Absage erteilt und der SPD Unzuverlässigkeit vorgeworfen. Wegen der kritischen Haltung der FDP zum BKA-Gesetz wird erwartet, dass die vier Landesregierung mit Beteiligung der Liberalen im Bundesrat ebenfalls nicht zustimmen werden. Damit hat das Gesetz im Bundesrat in der vorliegenden Fassung keine Chance.

Das Gesetz soll dem Bundeskriminalamt bei akuter Terrorgefahr erstmals die heimliche Durchsuchung privater Computer sowie das Abhören und die Videoüberwachung von Wohnungen erlauben. Erstmals soll das BKA nicht nur begangene Straftaten verfolgen, sondern Anschlagspläne vereiteln.

Der Bundestag hatte vor kurzem mit den Stimmen der Koalition zugestimmt. 26 SPD-Abgeordnete verweigerten das Ja. Die Opposition lehnte das Gesetz geschlossen ab, da es in die Privatsphäre eingreife und den Grundrechtsschutz gefährde.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, ist trotz der Widerstände in den Ländern überzeugt, dass das Gesetz doch noch vom Bundesrat mitgetragen wird. Im Bayerischen Rundfunk sagte er: "Dieses Gesetz ist so gut, so notwendig, so überzeugend, dass man ihm mit guten Gründen nicht die Stimme versagen kann." Sollte es tatsächlich zu einem Vermittlungsverfahren kommen, werde man sicher über das eine oder andere noch reden können.

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