Terror:Verdächtiger Tunesier frei

Wer half Anis Amri, dem Attentäter von Berlin? Die Bundesanwaltschaft weiß es noch nicht. Ein Festgenommener ist offenbar unschuldig. Immer schärfer wird diskutiert, welche Fehler Polizei und Geheimdienste gemacht haben.

Von Hans Leyendecker

Ein Tunesier, der im Verdacht stand, in das Attentat von Anis Amri eingebunden gewesen zu sein und der deshalb am Mittwoch vorläufig festgenommen worden war, ist wieder auf freiem Fuß. Die Karlsruher Bundesanwaltschaft hat keine Hinweise gefunden, dass es sich bei dem 40 Jahre alten Mann, der in Berlin lebt, um einen Komplizen des Attentäters handeln könnte. Seine Rufnummer war in dem Mobiltelefon Amris gespeichert gewesen.

Unmittelbar vor dem Anschlag hatte Amri mit einem Glaubensbruder gechattet: "Mein Bruder, alles in Ordnung, so Gott will. Ich bin jetzt im Auto, bete für mich mein Bruder. Bete für mich". Dann verschickte er noch ein Selfie von sich im Führerhaus des Lkw an die bislang unbekannte Kontaktperson. Mit wem er chattete, ist unbekannt. Der 40-jährige Tunesier ist es nach Angaben der Karlsruher Behörde nicht gewesen. Über mögliche Helfer von Amri ist somit offenbar noch nichts bekannt. Amri hat bei dem Anschlag mit einem Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche zwölf Menschen getötet. Etwa fünfzig weitere Menschen wurden bei dem Attentat verletzt, viele davon schwer.

Die Bundesanwaltschaft teilte am Donnerstagnachmittag einige Erkenntnisse aus den bisherigen Ermittlungen mit. Das Video, auf dem sich Amri der Tat bezichtigt, und das vor einigen Tagen aufgetaucht war, ist demnach authentisch. Auch bestätigte die Karlsruher Behörde Informationen der Süddeutschen Zeitung, dass Amri nach dem Anschlag wohl zunächst in die Niederlande geflüchtet ist. Eine holländische Sim-Karte, wie sie kurz zuvor bei einer Werbeaktion in Holland verteilt worden war, wurde in seinem Handy gefunden. Amri könnte also aus Berlin zunächst in die Niederlande und von dort über Frankreich nach Mailand gelangt sein, wo er dann nach einem Schusswechsel mit Polizisten starb.

Die Frage, ob es Pannen gab bei Polizei und Geheimdiensten, rückt zunehmend in den Fokus

Wie die Sprecherin der Bundesanwaltschaft am Donnerstag erklärte, steht bislang nicht fest, ob es sich bei der Pistole, mit der Amri in Berlin einen polnischen Lkw-Fahrer erschoss und mit der er in Mailand einen Polizisten verwundete, um die selbe Waffe handelt. In beiden Fällen handelte es sich allerdings um dasselbe Kaliber, ein ballistisches Gutachten steht aber noch aus. Fest steht mittlerweile, das auch die Polizei zahlreiche Erkenntnisse über Amri hatte. So war der spätere Attentäter Beschuldigter in vier Verfahren; es ging um Diebstahl in einer Asylunterkunft, den Verdacht auf Sozialbetrug und mittelbare Falschbeurkundung, zudem soll Amri ein Fahrrad gestohlen haben. All diese Verfahren verliefen jedoch im Nichts.

Die Frage, ob es bei Polizei und Geheimdiensten Pannen gegeben hat, wird nun zunehmend diskutiert. Vorerst sieht es aber nicht so aus, dass sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit dem Thema befassen wird. In Nordrhein-Westfalen, wo Amri gemeldet war, wird im Mai gewählt. Und auch für den Bundestag reicht die Zeit nicht mehr für einen Ausschuss in dieser Legislaturperiode.

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