Frankreich:Terror und Proteste erschüttern das Land

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Ein IS-Sympathisant tötet einen Polizisten und dessen Frau. Erneut demonstrieren Zehntausende gegen die Arbeitsreform.

Von Christian Wernicke, Paris

Frankreich ist wieder Schauplatz eines islamistischen Terroraktes geworden. Ein 25-jähriger Franzose ermordete in der Nacht zum Dienstag zwei Angehörige der Nationalpolizei in ihrem Privathaus westlich von Paris. Stunden später tötete ein Anti-Terror-Kommando den Dschihadisten. Ein dreijähriges Kind überlebte die Bluttat. Zuvor hatte der mehrfach vorbestrafte Täter, der sich ausdrücklich zur Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) bekannte, weitere Anschläge auch gegen die Fußball- Europameisterschaft in Frankreich propagiert: "Die Euro wird ein Friedhof sein."

Innenminister Bernard Cazeneuve verurteilte jede Gewalt gegen die Polizei. Damit zielte er auch auf neue Großdemonstrationen gegen Reformvorhaben der Regierung, bei denen es am Dienstag wieder zu Ausschreitungen kam.

Nach bisherigem Ermittlungsstand handelte der Polizistenmörder als Einzeltäter. Die Behörden identifizierten ihn als Larossi Abballa, Sohn maghrebinischer Einwanderer. Im Ort Magnanville westlich von Paris hatte Abballa einem Kriminalpolizisten vor dessen Haus aufgelauert und ihn niedergestochen, wenig später tötete er im Haus auch dessen Lebenspartnerin, eine Zivilangestellte der Nationalpolizei. In einem Video und über Twitter bekannte sich der Täter zur Terrormiliz IS. Er forderte Frankreichs Muslime auf, andere "Ungläubige" zu töten. Die Polizei stellte in Abballas Wohnung eine Liste mit Namen potenzieller Opfer sicher. Es wurden aber weder Schusswaffen noch Sprengstoff gefunden. Am Dienstagnachmittag nahm die Polizei drei Bekannte Abballas im Alter von 27, 29 und 44 Jahren fest.

Die konservative Opposition kritisierte, dass Abballa trotz einer Verurteilung 2013 wegen Verstrickung in ein Netzwerk von Islamisten mit Kontakten nach Pakistan nicht an seiner Tat gehindert wurde. Der Mann wurde vom Inlandsgeheimdienst offenbar als "Gefahr für die staatliche Sicherheit" eingestuft und abgehört. Dennoch konnte er sich der Überwachung entziehen. Abgeordnete der oppositionellen Republikaner forderten, mehr Terrorverdächtige präventiv zu inhaftieren oder in Lager einzuschließen. Premier Manuel Valls lehnte dies kategorisch ab, nicht gerichtlich verhängte Inhaftierungen seien unzulässig: "Ich will kein Guantanamo", sagte er.

Erneut demonstrierten am Dienstag Zehntausende Franzosen gegen die von der Regierung geplante Lockerung des Kündigungsschutzes und der 35-Stunden-Woche. Zu den Protesten riefeen sieben linke Gewerkschaften auf. Dabei kam es in Paris zu Auseinandersetzungen zwischen linksradikalen Gruppen und Polizei. Bis zum Abend wurden 40 Menschen verletzt, 58 Demonstranten festgenommen. Die Gewerkschaft CGT sprach von einer Million Teilnehmern, die Polizei schätzte 80 000.

Nach dem Terrorakt forderten Sprecher von Polizeigewerkschaften erstmals einen Verzicht der seit drei Monaten dauernden Massendemonstrationen. "Zu viel ist zu viel, wir kämpfen an allen Fronten", sagte Christophe Rouget vom Verband der Beamten der inneren Sicherheit. Die Polizisten seien nach sieben Monaten Notstand, Terrorgefahr und nun der Euro "völlig ausgebrannt und erschöpft".

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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