Terror:Horror am Strand

Die Dschihadisten in Tunesien töten wahllos. Touristen, Tunesier, das scheint egal zu sein. Ganz gezielt aber treffen sie eines: die arabische Demokratie.

Von Tomas Avenarius und Paul-Anton Krüger

Viel schlimmer hätte es kaum kommen können für Tunesien: Mindestens 37 Tote, darunter offenbar zahlreiche Touristen und womöglich auch Deutsche, ermordet von einem um sich schießenden Dschihadisten in einem Hotelgebiet an der Mittelmeerküste. Keine vier Monate nach dem Anschlag auf das Bardo-Museum in der Hauptstadt Tunis haben die Radikal-Islamisten in dem nordafrikanischen Land wieder zugeschlagen, diesmal im nur 150 Kilometer von Tunis entfernten Badeort Sousse. Ob unter den getöteten Touristen neben Belgiern und Briten wirklich deutsche Staatsbürger sind, wie tunesische Medien berichteten, war am Freitagabend offen: Das Land ist bei Deutschen als Urlaubsziel aber beliebt.

Das jüngste Attentat ist ein weiterer schwerer Schlag für das vom Tourismus abhängige Tunesien, das als die einzige demokratische Erfolgsgeschichte des Arabischen Frühlings gilt. Anders als in anderen Staaten der Region verläuft die Machtteilung zwischen demokratisch agierenden Islamisten und säkularen Kräften bisher friedlich an den Wahlurnen. Dessen ungeachtet gibt es äußerst militante Islamistengruppen, derer Armee und Polizei trotz einer von der Regierung ausgerufenen Anti-Terror-Offensive nicht Herr werden: Tunesien bleibt wie die Nachbarn Algerien, Libyen und Ägypten Spielfeld radikaler Islamisten, seien es Al-Qaida-nahe Gruppen oder der Islamische Staat (IS).

Bei dem Anschlag in Sousse hatte ein Attentäter das Feuer auf die sonnenbadenden Touristen am Strand eröffnet und das Hotel "Imperial Marhaba" angegriffen. Der Attentäter soll ein Sturmgewehr aus einem zusammengefalteten Sonnenschirm gezogen haben. Er schoss zunächst auf die Badegäste und soll dann auch ins Hotel eingedrungen sein und auf Gäste gefeuert haben. Es sei zu Schusswechseln mit den Sicherheitskräften gekommen. Dabei sei er getötet worden, hieß es aus dem tunesischen Innenministerium. Berichte über einen möglichen zweiten Schützen wurden am Freitagabend dementiert.

Ein britischer Tourist beschrieb den Überfall am Strand so: Er habe die Schüsse in wenigen Dutzend Metern Entfernung gehört, "wir dachten erst an ein Feuerwerk". Dann habe es "eine Massenflucht gegeben am Strand". Im Hotel hätten Mitarbeiter die Gäste aufgefordert, sich in ihren Zimmern zu verstecken. Andere Zeugen erzählten, die Hotelangestellten hätten gerufen: "Lauft, lauft, lauft!" "Der Mann gab immer wieder ganz gezielt Schüsse ab", berichtet ein Tourist aus Bayern. Der Täter, ein junger Mann, sei ganz ruhig gewesen: "Er ist nicht gerannt und hat nicht geschrieen." Er habe kurze Hosen getragen, wie ein Tourist ausgesehen. Die Küstenstadt Sousse zählt zu den beliebtesten Ferienzielen im Land. Laut dem Reiseanbieter Tui sind derzeit 3800 Deutsche mit dem Unternehmen in Tunesien.

Police officers control the crowd while surrounding a man suspected to be involved in opening fire on a beachside hotel in Sousse

In den ersten Augenblicken nach dem Anschlag auf ein Luxushotel kommt es im tunesischen Sousse zu turbulenten Szenen.

(Foto: Amine Ben Aziza)

Schon bei dem Anschlag auf das bekannte Bardo-Museum in der Hauptstadt Tunis im März hatte es neben den zwei Attentätern 20 Tote gegeben, die meisten dieser Opfer waren Touristen. Hier waren die Sicherheitsvorkehrungen erkennbar nachlässig gewesen, obwohl das Museum neben dem gut geschützten tunesischen Parlament gelegen ist. Stunden nach dem Attentat wurden die Männer, die vor dem Anschlag im Bürgerkriegsland Libyen in Dschihad-Trainingslagern gewesen waren, von der Polizei getötet.

Beim Täter von Sousse soll es sich nach Angaben des Innenministeriums um einen Studenten handeln, der den Behörden zuvor nicht bekannt gewesen sei. Als Anlass für den Anschlag dürfte der erste Freitag im muslimischen Fastenmonat Ramadan gedient haben, von dem sich der Täter Signalwirkung versprach. Beim Freitagsgebet sind die Moscheen voll, im Ramadan strömen noch mehr Gläubige in die Gebetshäuser. Zudem jährt sich kommende Woche die Errichtung des sogenannten "Kalifats", das die sunnitische Terrorgruppe "Islamischer Staat" in Teilen von Syrien und dem Irak ausgerufen hatte. Ein IS-Sprecher hatte die Anhänger jüngst aufgefordert, während des Fastenmonats Attentate "auf Feinde des Islam" zu begehen. Die Grenzen in Nordafrika, die teilweise durch die Wüste führen, werden seit dem Zusammenbruch des ägyptischen, libyschen und tunesischen Regimes 2011 schlecht kontrolliert.

Der Attentäter von Sousse könnte zumindest in Kontakt mit dem IS gestanden haben und seinen Angriff lose mit den Islamisten-Attentaten in Frankreich und in Kuwait koordiniert haben. Die Dschihadi-Netzwerke sind global organisiert, selbst konkurrierende Gruppen begehen gelegentlich zeitgleich Anschlagsserien. So sprengte sich auffälligerweise in Kuwait-Stadt, Hauptstadt des gleichnamigen Golf-Emirats auf der arabischen Halbinsel, ebenfalls am Freitag beim Mittagsgebet ein Selbstmordattentäter in einer Schiiten-Moschee in die Luft. Er riss nach Angaben von Ärzten 27 Menschen in den Tod. In der Imam-Sadeq-Moschee hatten sich gut 2000 Menschen eingefunden.

Die Terrormiliz IS nahm den Anschlag in Kuwait für sich in Anspruch. Der IS diffamiert Schiiten als Ungläubige und hat anders als al-Qaida Anschläge auf Betende gerechtfertigt. Im Mai hatte es Anschläge auf schiitische Moscheen mit Dutzenden Toten in Saudi-Arabien gegeben. Auch hier hatte sich der IS bekannt.

At least 27 mostly foreigners killed others wounded in attack on

Nach dem Anschlag auf das Hotelgebiet fahren tunesische Sicherheitskräfte im Badeort Sousse Patrouille.

(Foto: epa/dpa)
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