Terror-Angst in Deutschland:Schily fordert mehr Befugnisse für das BKA

Nach den Terroranschlägen von London und Ägypten will der Bundesinnenminister die Befugnisse der deutschen Sicherheitsbehörden ausweiten. SPD-Außenpolitik-Experte Gernot Erler dagegen ruft zur Besonnenheit auf.

Nach den Terroranschlägen von London und Ägypten will Bundesinnenminister Otto Schily die Befugnisse der deutschen Sicherheitsbehörden ausweiten.

"Dringlich ist vor allem, dass das Bundeskriminalamt gegen terroristische Verbrechen auch vorbeugend tätig werden kann", sagte der SPD-Politiker der Bild-Zeitung.

Er forderte die Innenminister von Bayern und Niedersachsen, Günther Beckstein und Uwe Schünemann, auf, ihren Widerstand gegen eine entsprechende Grundgesetzänderung aufzugeben, und bekam von Bayern sogleich grünes Licht.

Schily erklärte, auch Deutschland sei vom islamistischen Terrorismus bedroht. "Ich halte jedoch nichts von fatalistischen Voraussagen, es sei nur noch eine Frage der Zeit, wann in Deutschland etwas Ähnliches passiert wie in London oder Madrid."

Dass die deutschen Sicherheitsbehörden bereits mehrere Anschlagspläne aufgedeckt und damit verhindert hätten, sei auch auf die erweiterten Befugnisse zurückzuführen, die er mit den Anti-Terror-Gesetzen durchgesetzt habe.

Nach Angaben Schilys werden in Deutschland rund 300 Islamisten intensiv vom Verfassungsschutz beobachtet. Die muslimischen Gemeinden forderte Schily auf, aktiv an der Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus mitzuwirken und vor allem auch mit den Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten.

Die Bevölkerung rief er zur Besonnenheit auf: "Wenn wir uns in Angst und Schrecken versetzen ließen, hätten die Terroristen ihr Ziel schon erreicht." Wachsamkeit und Gelassenheit seien die besten Mittel gegen den Terror.

Keine Einwände von Beckstein

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein zeigte sich aufgeschlossen gegenüber Schilys Forderungen: "Gegen eine ergänzende Kompetenz für das Bundeskriminalamt im Bereich des internationalen Terrorismus zur Abwehr von Gefahren habe ich keine Einwendungen."

Skeptisch äußerten sich hingegen der SPD-Außenpolitik-Experte Gernot Erler, der vor Aktionismus warnte. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sprach sich dafür aus, die bestehenden Gesetze "konsequent anzuwenden".

Erler rief zur Besonnenheit auf. Wenn jedes Mal umgesetzt würde, was in Interviews nach solch schrecklichen Anschlägen gefordert werde, gäbe es kaum noch irgendwelche Rechte in Deutschland, sagte der SPD-Politiker im SWR.

Als Beispiel für schädliche Schnellschüsse nannte er dabei die Unionsvorschläge zur Einführung einer internationalen Islamistendatei und dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren.

Der FDP-Politiker Wolfgang Gerhardt sprach sich in diesem Zusammenhang für eine konsequente Anwendung bereits bestehende Gesetze aus. "Was wir tun können, ist die bestehende Gesetze... Die Terrorismusbekämpfung möglich machen, wirklich konsequent anzuwenden", sagte er im Radiosender NDR info. Gleichzeitig plädierte er für "eine stärkere Präsenz der Polizei". Einen Einsatz des Bundeswehr im Inneren lehnte er ab.

Nach den Anschlägen in Ägypten und dem Absturz eines Leichtflugzeugs vor dem Reichstagsgebäude hatten am Wochenende zahlreiche Politiker eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland gefordert.

Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe und der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (beide SPD) kündigten nach dem Vorfall an, ein "Flugbeschränkungsgebiet für Sichtflüge" von "Hobbypiloten und Privatfliegern" über dem Zentrum der Hauptstadt einzurichten.

Die Länder sollten zudem durch verbesserte Personenkontrollen für einen höheren Sicherheitsstandard auf kleinen Flugplätzen sorgen, sagten die beiden Politiker. Außerdem sollten Privatflugzeuge gegen unbefugte Benutzung gesichert werden, beispielsweise mit Radkrallen.

Die Piloten solcher Flugzeuge müssten zukünftig Funkkontakt mit der Flugsicherung halten. Geprüft werde auch eine Ausstattung der Hobbymaschinen mit Transpondern zur besseren Radarerfassung.

Die Vorschläge sollen in dieser Woche zwischen den Bundesministerien für Verkehr, Inneres und Verteidigung sowie der Berliner Senatsinnenverwaltung abgestimmt werden. Noch am Samstag hatte ein Sprecher Körtings die vorhandene Gesetzeslage als ausreichend bezeichnet. Weitere Verbote seien "kein zielführender Weg", sagte er.

Unterdessen berichtete Die Welt von Plänen der EU-Kommission, die Datenerfassung zur Terrorabwehr deutlich auszuweiten und vorliegende Daten von Telefon, Handy und Internet auf Vorrat speichern lassen.

Der Terror-Experte Rolf Tophoven bezeichnete im Hamburger Abendblatt den internationalen Terrorismus als so gefährlich wie noch nie und rechnet nach eigenen Worten damit, "dass weitere Terrormethoden", wie Geiselnahmen mit anschließender Ermordung aus dem Irak exportiert werden.

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