Tempelberg-Streit:Nichts und niemand in Jerusalem bleibt unpolitisch

Muhammad Ahmad Hussein

Muhammad Ahmad Hussein, der Großmufti von Jerusalem, hinter Sicherheitsleuten.

(Foto: AFP)

Der Großmufti von Jerusalem hat eine Agenda: Nicht zum ersten Mal ist Muhammad Ahmad Hussein in die Auseinandersetzung zwischen der jüdischen und muslimischen Bevölkerung verwickelt.

Von Moritz Baumstieger

Der Mann, der Muhammad Ahmad Hussein in sein Amt hob, dürfte seine Entscheidung inzwischen bereuen: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ernannte Hussein im Juli 2006 zum Großmufti von Jerusalem, weil er einen stillen Theologen an der Spitze der palästinensischen Geistlichkeit wünschte und keinen Querkopf, der das Volk anstachelt und die Politik vor sich hertreibt. So einer war Husseins Vorgänger Ikrima Sabri gewesen, nach zwölf Jahren im Amt entließ ihn Abbas entnervt.

Mittlerweile ist jedoch auch aus Hussein eine Reizfigur geworden, die agitiert und provoziert. Nichts und niemand bleibt unpolitisch in Jerusalem, dieser ebenso heiligen wie umkämpften Stadt. Kaum im Amt, nannte Hussein Selbstmordattentate "legitim", 2015 bestritt er, dass sich je ein jüdischer Tempel auf der Anhöhe über der Klagemauer befunden habe.

Hussein spielt eine Schlüsselrolle im Tempelberg-Konflikt

Auch im aktuellen Konflikt um die heiligen 14 Hektar spielt er eine Schlüsselrolle: Als oberster Seelsorger ist er automatisch Vorsitzender der Stiftung, die das Areal verwaltet. Als solcher verweigert er sich dem Kompromiss, den Israels Regierung anbot: Die umstrittenen Metalldetektoren kommen weg, dafür werden Hightech-Kameras installiert - Krise gelöst.

Wie leicht sich Streitigkeiten um das "edle Heiligtum" zu unkontrollierbaren Konflikten auswachsen können, erlebte der in Jordanien und an der von Israel nicht anerkannten Al-Quds-Universität in Ost-Jerusalem ausgebildete Hussein schon einmal hautnah. Als Ariel Scharon den Tempelberg im Jahr 2000 besuchte und so die zweite Intifada auslöste, predigte Hussein bereits dort. Der Mann, der keine drei Kilometer südlich der Al-Aksa-Moschee geboren wurde, hatte 1982 dort eine Stelle als Seelsorger angetreten. Vier Jahre später wurde er leitender Imam des drittheiligsten muslimischen Gotteshauses.

Als Israel den Tempelberg nun am 14. Juli abriegelte, nachdem in der unmittelbaren Nähe drei Palästinenser zwei Polizisten erschossen hatten, nahmen die Sicherheitskräfte den 67-Jährigen vorübergehend fest. Hussein predigte in den zum Tempelberg führenden Gassen, die Behörden fürchteten, er würde dazu anstacheln, die Polizeiabsperrungen zu durchbrechen.

Hussein hat schon mehrere Festnahmen erlebt

Für den Mann, der meist in einem blassgrünen Umhang und mit einem rot-weißen Fez auftritt, war es nicht die erste Festnahme. Schon im Mai 2013 holte ihn die israelische Polizei ab, weil man ihn verdächtigte, Unruhen am Tempelberg zu schüren. Ein Jahr zuvor lief gegen ihn ein Ermittlungsverfahren. Bei einer Zeremonie der Palästinenserpartei Fatah hatte Hussein einen angeblichen Ausspruch des Propheten Mohammed zitiert, der zum Mord an Juden aufrief. Israels Premier Benjamin Netanjahu verglich ihn deshalb mit dem allerersten Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husseini. Der vor der britischen Mandatsmacht auf die von ihr 1921 neu geschaffene Position gehobene Mann war theologisch schwach, aber gern gesehener Gast im Berlin der Nazi-Zeit.

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