Technik:Schweißfrei ins Büro

Bessere Bremsen, breitere Reifen, starke Elektromotoren: Ingenieure haben die Fahrräder in den vergangenen Jahren enorm weiterentwicklet. Die neue Technik erleichtert den Abschied vom Auto.

Von Marco Völklein

Was die IAA in Frankfurt für Auto-Liebhaber ist, das ist die Euro-Bike in Friedrichshafen für Fahrrad-Fans. Jedes Jahr Ende August kommen Zehntausende zu der Messe am Bodensee, um den Branchentrends nachzuspüren. Wer meint, das Rad sei doch lange erfunden und es gebe da kaum noch etwas zu entwickeln, der wird auf der Euro-Bike regelmäßig vom Gegenteil überzeugt. Die Branche lässt sich immer wieder Neues einfallen, um die Kundschaft im Sattel zu halten.

So werden in diesem Jahr neben Rennrädern mit Scheibenbremsen oder schnellen Stadtflitzern mit nahezu lautlosem und wartungsarmem Riemenantrieb sogenannte Fatbikes im Zentrum des Interesses stehen. Dabei handelt es sich um eine Art Mountainbike mit besonders wuchtigen Reifen, die es den Fahrern erlauben, auch durch feinen Sand oder lockeren Schnee zu pflügen. Das Problem ist nur: Der hohe Rollwiderstand erfordert vom Fahrer ausreichend Kondition.

Aber auch das lässt sich lösen: Einige Hersteller integrieren in ihre Fatbikes mittlerweile Elektromotoren für die weniger Trainierten. Ohnehin ist der E-Antrieb eines der Hauptthemen der Branche: Die Zahl der pro Jahr verkauften Exemplare, die je nach Stärke des Motors Pedelecs, S-Pedelecs oder E-Bikes heißen, steigt stetig: von 110 000 im Jahr 2008 auf zuletzt 480 000. Mittelfristig erwartet der Branchenverband ZIV einen Absatz von bis zu 600 000 Fahrräder mit E-Antrieb pro Jahr - auch wenn die Stromer zwischen 500 und 2000 Euro mehr kosten als normale Räder. "Das Elektrorad hat das Image des ,Schummelfahrrads' mit Reha-Touch verloren", sagt Anja Smetanin vom Verkehrsclub Deutschland (VCD). Boten die Firmen anfangs überwiegend City- und Trekkingräder mit E-Motor an, wird die Modellvielfalt nun größer: Selbst bei Mountainbike-Puristen löst ein Rad mit Elektrounterstützung keine Verachtung mehr aus. "Durch das breitere Spektrum an Produkten werden neue Zielgruppen erschlossen", sagt ZIV-Chef Siegfried Neuberger.

Tatsächlich findet sich kaum noch ein Radhändler, der nicht zumindest eine Ecke im Laden für Elektroräder reserviert hat. Zudem eröffnen mehr und mehr auf E-Mobilität spezialisierte Händler. Sie setzen unter anderem auf Pendler, die mit Akku-Unterstützung zur Arbeit fahren - und zwar in Städten wie auch in ländlichen Gebieten. So berichtet der Starnberger Elektrorad-Händler Jörg Simm, dass jeder vierte Kunde das Elektrorad für den Weg zur Arbeit nutzen will. "Und dieser Anteil wird weiter steigen."

VCD-Expertin Smetanin hofft zudem, dass das Elektrorad helfen könnte, "den Umstieg vom Pkw im Alltag zu unterstützen". Etwa jede zweite Pkw-Fahrt für Kurzstrecken unter fünf Kilometern könnte durch das Rad ersetzt werden. "Allein damit würden jährlich fünf Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden", rechnet das Umweltbundesamt vor. Puristen entgegnen allerdings, dies alles sei schöngerechnet. Radler, die auf Muskelkraft setzten, würden jetzt schon zu 100 Prozent CO₂-frei fahren. Sollten sie auf E-Antriebe umsteigen, würden sie indirekt über die Kohlekraftwerke doch noch Kohlendioxid erzeugen. Ist E-Mobilität auf zwei Rädern also ein Rückschritt? Nein, sagt Smetanin: Viele Autofahrer scheuten noch immer das Rad für Strecken bis zehn Kilometer Länge - etwa weil sie nicht verschwitzt im Job ankommen wollen. Mit einem Stromer ließe sich das lösen.

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