Tarifstreit im Öffentlichen Dienst:Vereint gegen den Schlichter

Zumindest in einem sind sich die beiden Konfliktparteien einig: Einen Schlichter ihrer Auseinandersetzung wollen sie nicht. Die öffentliche Diskussion schade, sagen die einen. Zu kompliziert, meinen die anderen.

Paul Katzenberger

Der Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes ist festgefahren - helfen könnte allerdings noch ein Schlichter.

Tarifstreit im Öffentlichen Dienst: Starre Fronten: Ver.di-Demonstrierende mit einer Pappfigur des Arbeitgeber-Verhandlungschefs Hartmut Möllring. Einen Schlichter wollen beide Seiten aber nicht.

Starre Fronten: Ver.di-Demonstrierende mit einer Pappfigur des Arbeitgeber-Verhandlungschefs Hartmut Möllring. Einen Schlichter wollen beide Seiten aber nicht.

(Foto: Foto: dpa)

So sprach sich nach der SPD-Spitze auch die Arbeitnehmergruppe in der Unionsfraktion für einen Vermittler aus.

Ihr Vorsitzender Gerald Weiß sagte der Berliner Zeitung: "Ein Schlichter wäre im objektiven Interesse, weil die Fronten so außerordentlich verhärtet sind."

Auf Seiten der Tarifparteien stieß die Schlichter-Diskussion indes auf Ablehnung. Es sei völlig unüblich, dass sich Schlichter öffentlich anbieten, hieß es von Seiten der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Nach Auffassung der Gewerkschaft Ver.di ist es nicht an der Zeit, über Personen zu spekulieren.

"Grundsätzlich möglich, aber schwierig"

"Eine Schlichtung ist grundsätzlich möglich, aber in der derzeitigen Lage schwierig", sagte Ver.di-Sprecher Jan Jurczyk zu sueddeutsche.de. Denn der Ball liege derzeit im Arbeitgeberlager. Durch die jüngsten Auseinandersetzungen innerhalb der Tarifgemeinschaft deutscher Länder sei inzwischen gar nicht mehr klar, was die Arbeitgeberseite eigentlich fordere, so Jurczyk. "Von diesem aktuell herrschenden Druck werden wir sie durch einen Schlichter nicht befreien."

Es sei außerdem unüblich, einen Schlichter einzuschalten, wenn bereits gestreikt werde, so Jurczyk weiter. Denn eine Schlichtung solle in aller Regel einen Streik verhindern. Wenn dieses Druckmittel aber schon wie derzeit ausgespielt werde, sei die Bindungswirkung des Schlichterspruchs sehr viel geringer.

Vertrauen beider Seiten

Zudem schade die öffentliche Diskussion über den Schlichter. Denn ein potenzieller Vermittler müsse das Vertrauen beider Seiten haben, und dies werde in aller Regel in einem vertraulichen und hochkomplexen Verfahren hinter den Kulissen austariert.

Der Geschäftsführer der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, Ulrich Rieger, wandte sich ebenfalls gegen einen Schlichter. Im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung werde in der derzeitigen Tarifauseinandersetzung nicht allein um das Thema "Arbeitszeit" gerungen, sondern um ein komplett neues Tarifwerk, sagte er zu sueddeutsche.de. "Da geht es um 40 bis 50 Themen und das ist für einen Schlichtungsspruch zu komplex."

In vielen Streitpunkten hätten sich die Konfliktparteien ja schon geeinigt, nur noch 10 bis 15 Punkte seien offen. "Da kann man sich dann in jedem Einzelfall einigen, oder aber indem andere Punkte wieder geöffnet werden. Bis ich das einem Schlichter erklärt habe, brauche ich Wochen", so Rieger.

Verantwortung gegenüber der Bevölkerung

Der Vorsitzende der TdL, der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), machte zudem klar, dass er sich als Politiker in der Verantwortung gegenüber der Bevölkerung sehe. "Dieser Pflicht kann ich mich nicht entziehen, indem ich einen Dritten einschalte", sagte er zu sueddeutsche.de.

Auch die Spitzen von CDU und CSU lehnten eine Schlichtung strikt ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte der ARD: "Die Menschen in Deutschland warten auf eine Lösung. Und ich glaube, die Tarifpartner sind aus sich selbst heraus in der Lage."

Vereint gegen den Schlichter

Gestern hatte sich bereits CSU-Chef Edmund Stoiber deutlich gegen eine Schlichtung ausgesprochen.

Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung werden trotz der Ablehnung der Unionsspitze schon Namen von möglichen Schlichtern gehandelt.

Scherf und Teufel im Gespräch

So seien Bremens Ex-Bürgermeister Henning Scherf und der ehemalige baden-württembergischen Ministerpräsident Erwin Teufel dafür im Gespräch. Scherf erklärte sich bereit, die Aufgabe zu übernehmen. "Wenn ich von beiden Seiten gefragt werde, würde ich nicht Nein sagen", sagte er dem Hamburger Abendblatt.

Die SPD hatte nach ihrer Präsidiumssitzung am Montag eine Schlichtung vorgeschlagen. Ein solches Verfahren ist im Tarifkonflikt der Länder allerdings schwierig.

Das bestehende Schlichtungsabkommen bietet dafür keine Grundlage. Soll es eine Schlichtung geben, müssten beide Seiten ein entsprechendes Verfahren erst verabreden.

"Die SPD versucht, Wahlkampfgetöse zu machen"

Tarifgespräche zwischen Ländern und Gewerkschaften waren am Wochenende gescheitert. In dem Konflikt geht es der Dienstleistungsgewerkschaft verdi vor allem darum, die Anhebung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden zu verhindern.

Der stellvertretende Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), Ralf Stegner (SPD), warf der CDU mit Blick auf die drei Landtagswahlen Ende März in der Abendzeitung vor, sie hoffe, dass der Streik den "Gewerkschaften und der SPD" schade.

Hartmut Möllring sagte dem Blatt hingegen: "Die SPD versucht, Wahlkampfgetöse zu machen."

Der Vorsitzende der Tarifunion des Beamtenbundes (dbb), Frank Stöhr, sieht eine Einigung durch den Streit im Arbeitgeberlager erschwert. Das sagte er der Neuen Presse.

Streiks gehen weiter

Die Streiks werden auch am Dienstag in zahlreichen Bundesländern fortgesetzt. Im Streit um die Arbeitszeit der 220.000 Kommunalbeschäftigten in Baden-Württemberg wollen ver.di und Arbeitgeber erneut Gespräche führen.

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