Tarifstreit:IG Metall will 28-Stunden-Woche

Warnstreik IG Metall

Ford-Arbeiter in Köln nahmen am Dienstag an einem Warnstreik teil.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Die Gewerkschaft und die Arbeitgeber halten eine Einigung für "höchst unwahrscheinlich".

Von Detlef Esslinger

In der Metall- und Elektroindustrie wird ein Arbeitskampf immer wahrscheinlicher. Zwar wollen die IG Metall und die Arbeitgeber an diesem Mittwoch in Baden-Württemberg doch noch versuchen, ein Pilotabkommen zu vereinbaren, das danach bundesweit übernommen werden könnte. Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Stefan Wolf, sagte jedoch, er könne sich derzeit "nicht vorstellen, dass wir in der Nacht auf Donnerstag ein vernünftiges Ergebnis finden". Auch der baden-württembergische IG-Metall-Chef Roman Zitzelsberger nannte eine Einigung "höchst unwahrscheinlich".

Anschließend halten beide Seiten zwei Szenarien für denkbar. Entweder die Gespräche in Böblingen bringen zumindest so viel Fortschritt, dass sie übers Wochenende fortgesetzt werden. Oder man kommt so wenig voran, dass die IG Metall für die kommende Woche zu 24-Stunden-Streiks aufrufen wird. In diesem Fall erwägen die Arbeitgeber, vor den Arbeitsgerichten gegen die Gewerkschaft vorzugehen.

Der Streit entzündet sich weniger an der Forderung der IG Metall, die Löhne der 3,9 Millionen Beschäftigten um sechs Prozent zu erhöhen. Die Arbeitgeber bieten bislang zwei Prozent, doch diese Lücke gilt als überwindbar. Der Streit geht um das, was die IG Metall darüber hinaus durchsetzen will: dass jeder Beschäftigte das Recht haben soll, seine Wochenarbeitszeit für bis zu zwei Jahre auf bis zu 28 Stunden zu reduzieren und - sofern es sich dabei um Schichtarbeiter handelt oder um Menschen, die sich um kleine Kinder oder kranke Eltern kümmern möchten - der Arbeitgeber ihnen den Lohnausfall zum Teil ersetzen soll.

Dies lehnen die Arbeitgeber seit Monaten ab. Erstens befürchten sie, die Arbeit in den Betrieben nicht mehr erledigen zu können, wenn jeder quasi nach Gutdünken seine Arbeitszeit reduzieren kann. Zweitens wollen sie niemandem eine Prämie dafür zahlen, dass er (oder sie) künftig weniger arbeitet. Drittens halten sie eine solche Prämie für diskriminierend, also rechtswidrig: Wer seine Arbeitszeit reduziere, erhielte dadurch einen höheren Stundenlohn als jemand, der immer schon in Teilzeit war.

In den vergangenen Tagen hat eine Kommission aus Experten beider Seiten in fünf Sitzungen versucht, einen Kompromiss zu erarbeiten. Dem Vernehmen nach gab es wohl auch Fortschritte, vor allem bei der Frage, wie man den Arbeitsausfall kompensieren kann: indem die Arbeitgeber mehr Mitarbeitern als bisher anbieten dürfen, länger als die üblichen 35 Stunden zu arbeiten. Keine Annäherung gab es jedoch beim entscheidenden Punkt: dem von der IG Metall geforderten Lohnausgleich.

Die Arbeitgeber bereiten derzeit Klageanträge vor und außerdem Anträge auf einstweilige Verfügungen gegen Streiks der Gewerkschaft. Diese wiederum hat bei mehreren Arbeitsgerichten sogenannte Schutzschriften mit ihren Argumenten hinterlegt, um einstweilige Verfügungen abzuwehren. Es wäre das erste Mal seit fast 40 Jahren, dass IG Metall und Arbeitgeber einen Arbeitskampf vor Gericht austragen.

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