Tarifkonflikt:"Eine elende Rechnerei"

Erneut haben Vertreter von Kommunen und Gewerkschaften über die Bezahlung von Erzieherinnen verhandelt. Es besteht Hoffnung, dass es diesmal eine Lösung gibt.

Von Ulrike Heidenreich

Es bestehe Anlass zur Hoffnung, hatte Thomas Böhle am Dienstagmorgen zu Beginn der neuerlichen Tarifverhandlungen in Hannover gesagt. Der Präsident der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeber (VKA) betonte: "Die Hoffnung ist realistisch." In der Auseinandersetzung um die Bezahlung von 240 000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst darf man das schon als ziemlich konkrete Aussage verstehen. Bis in die Nacht zogen sich die komplizierten Verhandlungen im Besprechungszimmer eines Hannoveraner Hotels hin. Über allem schwebte die Drohung, der Kita-Streik könnte Mitte Oktober fortgesetzt werden.

Die Gespräche wurden in der Nacht dann unterbrochen, sie sollten am Morgen weitergehen.

Seit bald einem Jahr geht es um die bessere Bezahlung von 120 000 Erzieherinnen und Erziehern, 50 000 Sozialarbeitern und -pädagogen sowie 25 000 Kinderpflegern. Dazu kommen mehrere zehntausend Mitarbeiter der Behindertenhilfe. Die Auseinandersetzung gipfelte im Mai in einem vierwöchigen Streik, der vor allem die Eltern von Kindern, die Krippen, Kindergärten oder Horte besuchen, an den Rand ihrer Organisationskraft brachte. Nach zähen Schlichtungsgesprächen im Juni folgten Abstimmungen an der Basis der Gewerkschaften - am Ende stand ein Nein.

Die Gewerkschaften hatten durch ihre Forderungen hohe Erwartungen geweckt

Die Verhandlungen waren deshalb so schwierig, weil es immer auch um die Frage ging, welchen Wert die Arbeit der betroffenen Berufsgruppen grundsätzlich habe. Sei es in sozialen Einrichtungen, in denen Behinderte und alte Menschen versorgt werden, sei es bei der Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten, sei es bundesweit in den Kindertagesstätten. Verdi-Chef Frank Bsirske formuliert das so: "Die Aufwertung hat eine materielle Seite und sie hat eine Seite, wie die Gesellschaft auf das Berufsfeld schaut." Ganz zu Beginn der Auseinandersetzung standen die Zeichen nicht schlecht: Vor allem den Erzieherinnen schlug Verständnis und Wertschätzung entgegen. Die Nachfrage an qualifiziertem Personal ist unter anderem seit dem Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz rasant gestiegen. Von Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen wird frühpädagogische Förderung erwartet und nicht mehr nur, dass Kinder unter ihrer Aufsicht unfallfrei Bauklötze türmen können.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatten im Schnitt zehn Prozent mehr Gehalt gefordert und damit hohe Erwartungen bei ihren Mitgliedern geweckt. Die Kommunen lehnten dies als zu pauschal ab. Kompliziert wurde es zudem durch eine schwer zu überblickende Gehaltstabelle für den Sozial- und Erziehungsdienst: Sie sieht 102 unterschiedliche Monatsgehälter vor sowie sechs Gehaltsstufen für 17 Berufsgruppen.

Der Schlichterspruch beinhaltet Einkommensverbesserungen zwischen zwei und 4,5 Prozent. Dies war der Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder zu wenig. VKA-Chef Böhle machte klar, dass die Kommunen im Grunde nicht mehr Geld bereit stellen könnten. Eher könnte es zu Verschiebungen zwischen den Berufsgruppen kommen. Bsirske sagte in einer Pause, die Gespräche seien sehr schwierig. Die Nachrichtenagentur dpa zitierte einen der Verhandler: "Eine elende Rechnerei", stöhnte dieser.

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