Tarifkonflikt bei der Bahn:Weselsky bleibt hart

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Der GDL-Chef lehnt Schlichtung ab und macht die Bahn für die "Eskalation" verantwortlich. Die Wirtschaft beziffert die Kosten auf 500 Millionen Euro.

Von D. Kuhr und T. Öchsner, Berlin

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) lehnt eine Schlichtung im Tarifkonflikt mit der Bahn ab. "Wir lassen nicht über Grundrechte schlichten", sagte GDL-Chef Claus Weselsky in Berlin. Seine Gewerkschaft habe nun mal das Recht, für alle ihre Mitglieder einen Tarifvertrag abzuschließen - nicht nur für Lokführer, sondern auch für Zugbegleiter oder Lokrangierführer. Dieses Recht gestehe die Bahn der GDL nach wie vor nicht zu. Deshalb habe die Gewerkschaft bis Sonntagmorgen zum "längsten Streik in der Geschichte der DB AG" aufgerufen.

Für Weselsky trägt die Deutsche Bahn allein die Schuld an der Eskalation. Der Gewerkschaftschef warf dem Konzern vor, eine "Schmierenkomödie" aufzuführen. Das Management tue stets so, als wolle es verhandeln. Zugleich bestehe es jedoch darauf, dass am Ende ein Tarifvertrag herauskommt, der mit dem identisch ist, den sie parallel mit der größeren Eisenbahngewerkschaft EVG aushandelt. Damit verhindere das Unternehmen den Abschluss schon seit Monaten. In Wahrheit versuche die Bahn nur, die Verhandlungen hinauszuzögern, bis der Bundestag im Sommer das Tarifeinheitsgesetz verabschiede, sagte Weselsky. Damit würden kleinere Gewerkschaften künftig viel Macht einbüßen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, das Streikrecht sei "ein verbrieftes Recht in Deutschland", doch seien die Belastungen für viele Bürger und Unternehmen "gravierend". Sie hofft, dass Weselsky sich doch noch zu einer Schlichtung bereit erklärt. Offensichtlich sei die Zeit dafür noch nicht reif: "Aber da müssen wir hinkommen." Auch Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach sich dafür aus. "Ich frage mich, versteht eigentlich irgendjemand noch, was sich bei der Bahn abspielt?" Bessere Arbeitsbedingungen stünden in dem Konflikt wohl nicht im Vordergrund: "Es geht um Machtfragen innerhalb der gewerkschaftlichen Vertretung in der Deutschen Bahn AG", sagte Gabriel.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) schätzt die infolge des Streiks drohenden Schäden auf 500 Millionen Euro. "Lager laufen leer, die Produktion stottert, es kann sogar zu Produktionsausfällen kommen. Alles in allem drohen Streikkosten von einer halben Milliarde Euro", sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer.

Nach den Plänen der Bundesregierung soll künftig in einem Betrieb nur noch die jeweils größte Gewerkschaft Tarifverträge abschließen dürfen. Dies könnte kleinere Berufsgewerkschaften in ihrem Streikrecht indirekt stark einschränken, was womöglich gegen das Grundgesetz verstößt. Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum, der die Pilotenvereinigung Cockpit vertritt, erwägt, eine einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht zu beantragen, damit das Gesetz vorläufig wirkungslos bleibt. Dies kündigte er bei einer Anhörung im Bundestag an. Der Bund der deutschen Arbeitsrichter bezeichnete das Vorhaben "verfassungsrechtlich als sehr problematisch". Auch der Deutsche Anwaltverein spricht von einem "weitreichenden Eingriff in den Schutzbereich" des Grundgesetzes.

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