Taliban in Afghanistan:Aus dem Hinterhalt an den Verhandlungstisch

Die Extremisten in Afghanistan sind zwar geschwächt, aber sie bleiben stark genug für Anschläge - das zweite Attentat auf eine Bundeswehr-Patrouille innerhalb einer Woche beweist das. Trotz erster Annäherungen an den Westen wird sich an diesem Kriegszustand vorerst nichts ändern.

Tobias Matern

Wieder einmal ist ein Soldat der Bundeswehr in Afghanistan gestorben, nur ein paar Tage, nachdem bereits zwei Deutsche einem Anschlag zum Opfer gefallen sind. Dass es nun Deutsche häufiger trifft, heißt keineswegs, die Taliban oder die zahlreichen anderen im Norden Afghanistans aktiven extremistischen Gruppen seien Herren der Lage.

Getötete Soldaten aus Rheinland-Pfalz und Hannover

Bundeswehrsoldaten trauern im Feldlager Masar-i-Scharif um ihre gefallenen Kameraden. So banal es klingen mag: Deutschland beteiligt sich an einem Krieg, in dem es Tote gibt.

(Foto: dpa)

Zunächst bedeutet es nur, so banal das auch klingen mag: Deutschland beteiligt sich an einem Krieg, in dem es Tote gibt. Amerikaner oder Briten im Süden des Landes erleiden solche Verluste nahezu täglich.

In diesem Krieg stehen sich keine zwei Armeen gegenüber, die mit Offensiven und Gegenoffensiven operieren. Auf der einen Seite sind ideologisch-religiös motivierte Kämpfer im Einsatz, die etwas vereinfacht vom Westen als "die Taliban" zusammengefasst werden. Ihr Dschihad ist kein offenes Gefecht mit klarem Frontverlauf, sondern konzentriert sich auf Anschläge aus dem Hinterhalt - wie am Donnerstag, als eine ferngezündete Ladung Sprengstoff am Straßenrand explodierte und den deutschen Soldaten tötete. Außerdem sind die Islamisten dazu bereit, im Kampf gegen die Besatzer ohne Bedenken das eigene Leben zu opfern. Gegen solche Aktionen kommt auch die modern gerüstete Isaf nicht an.

Vor allem die Amerikaner haben durch ihre nächtlichen Kommandoaktionen einen beträchtlichen Teil der mittleren und oberen Ebenen der Taliban ausgeschaltet. Die Extremisten sind geschwächt, aber sie bleiben stark genug für Anschläge. Daran wird sich bis zu einem möglichen Friedensschluss nichts ändern - der Westen wird nicht als Sieger aus diesem Kampf hervorgehen. Aus militärischen Erfolgen des Westens vermögen indes weder die Regierung in Kabul noch Politiker in der Provinz Kapital zu schlagen.

Die Zeit drängt

Der Westen wird vielleicht leidliche Stabilität in Afghanistan herstellen können. Um die geht es nur noch, nicht um mehr. Im Sommer beginnt der von Barack Obama propagierte Rückzug. Auch die Bundesregierung versichert den von Afghanistan genervten Wählern immer wieder: Seid geduldig, wir reduzieren bald das Bundeswehr-Kontingent. Bis zum Jahr 2014 sollen alle Kampftruppen verschwunden sein. Den westlichen Regierungen gilt die "politische Lösung" - also eine Einbeziehung der Taliban in die Regierung Afghanistans - als letzter Ausweg vom Hindukusch.

Niemand weiß es mit Sicherheit, weil noch kein Talib von Rang und Namen dazu offiziell etwas sagt, aber: Auch die Islamisten sind wohl realistisch genug, um zu wissen, dass sie nicht wieder die ganze Macht in Afghanistan erhalten werden. Sie können allerdings den Preis hochtreiben für die Stabilität, die der Westen innerhalb eines ziemlich engen Zeitkorsetts herstellen muss, um einigermaßen gesichtswahrend seine Soldaten nach Hause zu holen.

Die Zeit drängt. Was in zehn Jahren nicht erreicht wurde, soll nun im Eiltempo erzielt werden: etwa die afghanischen Sicherheitskräfte vernünftig auszubilden, die aber längst nicht so trainiert sind, wie es der Westen gerne hätte, damit einheimische Polizisten und Soldaten nach und nach die Verantwortung tragen können.

Immerhin gibt es eine winzige Annäherung zwischen dem Westen und den Taliban: Vertreter der USA und der Islamisten haben in Katar und auch in Deutschland zusammengesessen. Das bedeutet noch keinen Auftakt von Friedensgesprächen, aber zumindest steht es für ein Abtasten, das 2010 so noch nicht stattgefunden hat. Es ist kein Widerspruch, dass sowohl die Isaf als auch die Taliban zur gleichen Zeit den Kampf unvermindert weiterführen - die Islamisten haben dies mit dem Anschlag von Baghlan wieder unter Beweis gestellt. Weitere Angriffe werden folgen.

Wenn die Taliban eines Tages am Verhandlungstisch der afghanischen Regierung Platz nehmen sollten, wollen sie dies aus einer Position der Stärke heraus tun. Bis dahin herrscht Krieg.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: