Taiwan:Premiere in Asien

Taiwans Verfassungsgericht macht den Weg für die Homo-Ehe frei: Dass gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten dürfen, widerspreche der Verfassung. Das Parlament hat nun zwei Jahre Zeit, ein entsprechendes Gesetz zu erarbeiten.

Von Kai Strittmatter, Peking

Taiwans Verfassungsgericht hat den Weg frei gemacht für die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare. In einem in ganz Asien viel beachteten Urteil entschied das Gericht in Taipeh am Mittwoch, dass die bestehenden Gesetze in Taiwan gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und damit gegen die Verfassung verstoßen. Das Gericht gab Taiwans Parlament zwei Jahre Zeit, um eine neue gesetzliche Regelung zu finden. Wenn das Parlament am Ende tatsächlich die Homo-Ehe legalisiert, dann wäre Taiwan das einzige Land in Asien mit einer solchen Regelung. Seit der Wahl von Tsai Ing-wen zur Präsidentin im vergangenen Jahr haben die Bemühungen für eine Ehe für alle an Fahrt gewonnen. Zuletzt hatte sich allerdings auch Widerstand von konservativer Seite organisiert.

In einer Presseerklärung teilte das Gericht mit, "zwei Menschen desselben Geschlechts im Interesse grundsätzlicher ethischer Gebote die Eheschließung zu verweigern" entspreche einer "ungleichen Behandlung . . . ohne jede rationale Grundlage". Bürgerrechtler und die LGBT-Gemeinde in Taiwan, China und anderen Ländern Asiens begrüßten das Urteil. Das vorwiegend buddhistische Taiwan ist eine der lebendigsten Demokratien in Asien und Heimat einer der tolerantesten Gesellschaften der Region. In Singapur etwa ist Homosexualität dagegen noch immer ein Verbrechen, in Malaysia und Indonesien droht Homosexuellen Verhaftung und Prügelstrafe. Nach sieben Neuberufungen durch Präsidentin Tsai Ing-wen ist das 15-köpfige Verfassungsgericht Taiwans mit vorwiegend liberalen Juristen besetzt.

Noch ist nicht klar, ob das Parlament am Ende wirklich die Homo-Ehe erlaubt, oder ob es, ähnlich wie in Deutschland, ein eigenes Gesetz für eine Form von Lebenspartnerschaften geben wird. Zuletzt waren vor allem christliche Gruppen gegen die Gleichstellung auf die Straße gegangen. Nur fünf Prozent der 23 Millionen Taiwaner sind Christen, doch viele der christlichen Gruppen sind fundamentalistisch ausgerichtet, ihr Widerstand ist gut organisiert und mit einigem Geld ausgestattet. Aber auch im Lager der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei gibt es Gegner, viele argumentieren mit traditionellen chinesischen Werten.

Auf der anderen Seite der Meeresenge von Taiwan, in Festlandchina, wurde das Urteil genau verfolgt. Die bekannte Pekinger Sexologin Li Yinhe, die seit Jahren für eine Gleichberechtigung kämpft, sagte der South China Morning Post, das Urteil habe für China eine weit größere Bedeutung als vergleichbare Entwicklungen im Westen. "Das wird der Öffentlichkeit und der Regierung in China einen Anstoß geben, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen", sagte Li. "Schließlich teilen Taiwan und das Festland dieselbe Sprache und dieselben Vorfahren."

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