110 Tage im Amt:Mario Monti mischt Italiens Parteien auf

Im Eiltempo bringt Regierungschef Monti Italiens Haushalt auf Vordermann. Bei den Bürgern ist er sehr beliebt, doch bei den Politikern wächst die Angst vor dem "Monti-Effekt": Die Parteien und ihr Gezanke verlieren an Bedeutung. Vor allem für die großen Parteien sind das schlechte Nachrichten.

Andrea Bachstein, Rom

"Die Zusammenarbeit mit dem Parlament und den Parteien ist lebhaft und grundlegend. Ich habe keinen Hinweis, dass das weniger wird", sagt Italiens Regierungschef Mario Monti. "Im Gegenteil, mir wird versichert, die harmonische, loyale Zusammenarbeit geht weiter."

Mario Monti

Mario Monti ist ein beliebter Regierungschef - trotz harter Maßnahmen. Das macht den Parteien Angst.

(Foto: AFP)

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sitzt da gerade im römischen Palazzo Chigi neben Monti, der nicht nur Premier ist, sondern auch Finanzminister. Ihr Gespräch am Donnerstagnachmittag sei gut gelaufen, teilen beide mit. Aber ein anderes Gespräch auf Montis Terminplan ist drei Stunden vorher geplatzt. Für den Abend war er eigentlich verabredet mit den Vorsitzenden der drei Parteien, auf deren Unterstützung seine Experten-Regierung in Senat und Abgeordnetenkammer angewiesen ist.

Angelino Alfano, der Vorsitzende der größten Partei, der PDL des vorigen Premiers Silvio Berlusconi, hat abgesagt. Monti wiegelte ab: Man werde einen Termin kommende Woche suchen. Und Alfano teilte mit, er habe nur abgesagt aus Ärger über die sozialdemokratische PD und die christdemokratische UDC. Seine PDL werde Monti weiter unterstützen, kein Grund zur Sorge. Dennoch wirft das geplatzte Treffen, das manche für den ersten ernsten Zwischenfall während Montis Regierungszeit halten, ein Schlaglicht auf die angespannte Stimmung zwischen Italiens Parteien.

Der Monti-Effekt: Die Parteien verlieren an Bedeutung

110 Tage waren es am Donnerstag, die Monti mit seiner Regierung aus Nichtpolitikern im Amt ist. Im Eiltempo brachte er in dieser Zeit Spar- und Reformgesetze auf den Weg und reparierte Italiens politisches Ansehen im Ausland. Eine der innenpolitischen Folgen ist, dass die Parteien, die zuvor jedes Thema mit uferlosen, erbitterten Streitereien beherrschten, öffentlich an Bedeutung verlieren. Nur noch acht Prozent der Italiener, so kam in einer Umfrage vor wenigen Tagen heraus, vertrauen noch dem bisherigen Parteiensystem.

Auch eine andere Erhebung bestätigt diesen Monti-Effekt, dass die Italiener am pragmatischen Stil seines Kabinetts aus Fachleuten trotz der harten Maßnahmen Gefallen finden: Gäbe es eine "Techniker-Partei", könnte sie demnach mit 22 Prozent der Stimmen rechnen.

Das sind schlechte Nachrichten vor allem für die großen Parteien PDL und PD, die mit der drastischen Veränderung nach der Ära Berlusconi hadern und in denen es brodelt. Die zuvor verfeindeten PDL und PD haben sich auf eine Art große Koalition der Unterstützer Montis geeinigt, um Italien den Weg aus der Schuldenkrise zu ermöglichen. Bereits zweimal haben sich ihre Vorsitzenden und der Chef der kleinen UDC gemeinsam mit dem Regierungschef zu Absprachen getroffen.

Nicht alle sind einverstanden mit dem, was Monti will

Zu Berlusconis Zeit wären solche Treffen undenkbar gewesen. Andererseits sind in PDL und PD keineswegs alle mit allem einverstanden, was Monti will. Angelino Alfano und Silvio Berlusconi haben Mühe, die PDL-Abgeordneten auf Kurs zu halten.

Genauso geht es Pierluigi Bersani in seiner PD, die Montis Sparkurs in Teilen für unsozial hält. Vor allem aber die PDL hat Monti immer wieder signalisiert, dass er sich ihrer Unterstützung nur da sicher sein kann, wo es um Finanzen und Wirtschaft geht. Monti soll sich heraushalten aus den Themen, die sie für ureigene parteipolitische Domänen halten.

Das sind zum Beispiel die Reform der Justiz und die Besetzung der Führungsposten beim Staatssender Rai, wo es die PDL gewohnt ist, mit ihren Leuten massiv auf die Programme einzuwirken. Und weil Bersani und UDC-Chef Pier Ferdinando Casini am Donnerstag bei Monti auch über die Rai und die Justiz sprechen wollten, ließ Alfano das Treffen platzen. Gerüchten zufolge tat er das auf Wunsch Berlusconis.

Wie nervös den der Zustand seiner PDL macht, zeigt sich daran, dass er gerade vernehmbar Alfanos Fähigkeiten infrage stellt. Der ehemalige Justizminister, den Berlusconi zu seinem Nachfolger an der Parteispitze ausersehen hat, kommt ihm nun offenbar schon wieder zu schwach und kompromissbereit vor.

Angespannt blicken die Parteien auf die Wahlen im Mai

Öffentlich pflegt Berlusconi sein Bild vom Elder Statesman, vom Gönner und Unterstützer Montis, dem er kürzlich sogar vorschlug, nach 2013 wieder anzutreten. Doch im Hintergrund zieht Berlusconi weiter die Strippen und will Monti Grenzen aufzeigen. Angespannt blicken die großen Parteien der nächsten Wahl im Mai entgegen, wenn in vielen Kommunen abgestimmt wird, etwa in so wichtigen Städten wie Genua und Palermo.

Dort musste die PD schon erleben, wie wenig ihre Anhänger mit dem Kurs der sozialdemokratischen Parteiführung einverstanden sind: In den Kandidatenvorwahlen sind die Favoriten der PD-Spitze schon durchgefallen. Die PDL hat mancherorts noch gar keine Kandidaten, und Berlusconi will diesmal kein eigenes Geld für den Wahlkampf lockermachen. Offenbar hält er die Lage unter Alfanos Führung für so wenig aussichtsreich.

Monti versucht unterdessen, sich nicht beeindrucken zu lassen von offenen wie versteckten Drohungen aus den Parteien. Er hält sich zugute, dass in kürzester Zeit die Polemik zwischen den Parteien weitgehend verstummt ist. So nutzte er am Donnerstag eine Meldung, die er ebenfalls als seinen Erfolg sehen kann: Der Spread ist erstmals unter 300 Punkte gefallen. Das ist der Zinsaufschlag, den Italien für seine Staatsanleihen im Verhältnis zu den deutschen zahlen muss. Er gilt als Preis des Misstrauens. Nun, so mahnte Monti, solle nicht der Spread zwischen den Parteien steigen.

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