Tadic verliert Stichwahl:Nationalist Nikolic neuer Präsident in Serbien

Überraschung in Belgrad: Oppositionsführer Tomislav Nikolic siegt bei der Stichwahl um die Präsidentschaft gegen Amtsinhaber Boris Tadic. Die Wahlbeteiligung erreichte einen Negativrekord.

Enver Robelli, Pristina

Entgegen allen Umfragen und Prognosen hat Serbiens Oppositionsführer Tomislav Nikolic am Sonntag die Stichwahl um die Präsidentschaft gewonnen. Der 60-Jährige liege klar zwei Prozentpunkte vor dem langjährigen Amtsinhaber Boris Tadic, teilte das Zentrum für freie Wahlen, Cesid, am Abend nach Hochrechnung von 70 Prozent der abgegebenen Stimmen mit. "Die Chancen sind gering, dass sich dieser Trend noch umkehrt", analysierten die Wahlforscher.

"Serbien hat heute Abend einen neuen Präsidenten bekommen", erklärte die Fortschrittspartei (SNS) von Nikolic. Tadic räumte die Niederlage ein. Nikolic habe verdient gewonnen, er wünsche ihm Erfolg. Alle Umfragen hatten ihm einen haushohen Sieg vorausgesagt. Die Wahlbeteiligung erreichte mit rund 45 Prozent der 6,8 Millionen Stimmberechtigten einen Rekord-Minuswert, der nach Darstellung der Statistiker vor allem Nikolic nützte. In den Stichwahlen 2004 und 2008 hatte sich Tadic jeweils gegen Nikolic durchgesetzt.

Nikolics Sieg ist ein Rückschlag für die Bemühungen Serbiens um eine Annäherung an die EU. Denn nicht er, sondern Tadic gilt als Liebling des Westens. Und Tadic ließ keine Möglichkeit aus, die Werbetrommel für den EU-Beitritt zu rühren. Die Stichwahl hatte er gar zum Referendum erklärt, ob Serbien sich in die Europäische Union integrieren wird oder nicht. Das Ziel, so lautete die versteckte Botschaft, sei nur mit ihm zu erreichen, nicht mit Oppositionsführer Nikolic, der jahrelang ein strammer Nationalist war und seit 2008 den proeuropäischen Kurs eingeschlagen hat.

Damals hatte Nikolic erkannt, dass er die Macht mit großserbischer Rhetorik nicht erobern kann, und die Fortschrittspartei gegründet. Zuvor war Nikolic, der einst den Friedhof in seiner Heimatstadt Kragujevac verwaltet hatte, aus der Radikalen Partei ausgeschlossen worden - jener politischen Gruppierung, die in den neunziger Jahren unter Vojislav Seselj mit paramilitärischen Banden für Großserbien gekämpft und gemordet hatte. Auch Nikolic hat sich für einen Beitritt zur EU ausgesprochen, allerdings nicht um jeden Preis. Noch in der Wahlnacht versprach er: "Serbien wird nicht vom europäischen Weg abweichen." Bisher hatten ihm die USA und die EU die Wandlung nicht richtig geglaubt.

Auf jeden Fall wird es zu einer Kohabitation Nikolics mit der Regierung kommen. Denn obwohl Nikolics SNS die Parlamentswahl vor zwei Wochen gewonnen hatte, werden die Demokraten (DS) von Tadic mit den bisherigen Koalitionspartnern wieder die Regierung bilden.

Die erste Runde der Präsidentenwahl vor zwei Wochen hatte Tadic knapp für sich entschieden. Im Wahlkampf wurde er von den wichtigsten Zeitungen unterstützt, die teilweise im Besitz seiner Parteifreunde sind. Angesichts der Wirtschaftskrise versprach Tadic vor allem, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Neue Jobs, neue Investoren aus dem Ausland, bessere Bildung für die Jugendlichen müssten in den nächsten vier Jahren absolute Priorität genießen, wiederholte Tadic während seiner Tour durch Serbien.

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