Tabubrüche und Provokationen:In der AfD geht es nur noch um Macht und Seilschaften

AfD Launches Election Campaign In North Rhine-Westphalia

AfD-Chefin Frauke Petry stünde gerne als konvervative Realpolitikerin da.

(Foto: Getty Images)

Parteichefin Petry hätte gern, dass die Fehde in der AfD als Flügelkampf verstanden wird. Doch diesmal ist es anders als beim Abgang von Partei-Mitgründer Lucke.

Kommentar von Jens Schneider, Berlin

Es sieht ganz so aus, als ob am nächsten Wochenende in Köln für die AfD kommen wird, was kommen muss: der nächste große Krach, vielleicht ein weiterer Bruch. Kurz vor ihrem Bundesparteitag bieten die Rechtspopulisten ein Bild der Zerrissenheit. Parteichefin Frauke Petry hat sich in eine Lage manövriert, die wenig Raum für Kompromisse lässt. Sie muss ihre Widersacher um Alexander Gauland besiegen oder im parteiinternen Kampf einen enormen Gesichtsverlust hinnehmen.

Schon fühlen sich viele an den Abgang des Mitgründers Bernd Lucke erinnert. Auch er setzte alles auf eine Karte, er verließ die AfD, begleitet von Pöbeleien. Es ist auf den ersten Blick ein Déjà-vu: Oben, unten und in der Mitte der AfD bekämpft man sich erneut unerbittlich.

Auffällig ist der Mangel an Kompromissbereitschaft, die Neigung, den anderen persönlich anzugehen. Das entspricht dem Wesen dieser Partei, die als bürgerlich gelten möchte, aber Tabubrüche, Provokationen und auch den kalkulierten Verzicht auf Zivilität zur Methode gemacht hat. Warum sollte die Neigung zur Ausgrenzung nachlassen, wenn es gegen die eigenen Leute geht?

So geht es halt zu in einer neuen Partei, die viele Menschen anzieht, die sich mit ihrer Weltanschauung an den Rand gedrängt fühlten, und nun ihre Affekte und Meinungen, aber auch Machtgelüste um so kompromissloser vertreten.

Exemplarisch ist der Konflikt der Antipoden im Machtkampf an der Spitze der AfD. Petry und Gauland waren im Kampf gegen Lucke enge Verbündete, im Bundesvorstand spitzte sich nun über Monate alles auf eine Alles-oder-nichts-Konfrontation zu. Sie bezichtigen sich gegenseitig ständiger Alleingänge und fehlender Loyalität.

Petry hätte gern, dass die Fehde als Ausdruck eines Flügelkampfs verstanden wird. Sie will als konservative Realpolitikerin dastehen, mit der die AfD mittelfristig Regierungsverantwortung übernehmen könnte. Wären die Folgen ihrer bisherigen Politik nicht so dramatisch für das Land, man müsste darüber lachen.

All die Entgleisungen

Denn wer ihr gedanklich folgen will, müsste all die Ausfälle und Entgleisungen von Petry und ihrem engsten politischen Begleiter und Ehemann Marcus Pretzell vergessen wollen, mit denen sie oft Entsetzen auslösten. Man müsste ignorieren, dass Petry mit ihren internen Gegnern einst gern paktierte, auch mit Björn Höcke, dem unsäglichen Rechtsausleger aus Thüringen, dessen Parteiausschluss sie jetzt betreibt.

Das ist der Unterschied zum Essener Parteitag 2015, auf dem Lucke um seine AfD kämpfte und verlor. Damals ging es um einen Richtungsstreit. Die Partei schwenkte unter Petrys Führung nach rechtsaußen. Sie steht für Feindseligkeit gegen den Islam, für Ressentiments gegen Flüchtlinge. Das zeigt das Wahlprogramm, das in Köln beschlossen werden soll.

Bei den internen Kämpfen geht es um persönliche Macht, um die Stärke von Seilschaften. Wer von Flügelkämpfen spricht, der übersieht, dass es in der AfD nur noch den einen Flügel gibt und die Akteure nur uneins sind, wie derb sie es gerade halten wollen.

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