Mögliche Grundgesetzänderung:Länder gegen de Maizière

Germany To Mark 20 Years Since Fall Of Berlin Wall

Leuchtende Sätze: Das Grundgesetz als Lichtinstallation in Berlin, im Hintergrund der Bundestag.

(Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Der Bund will den Gemeinden direkt Geld für die Flüchtlingsunterbringung überweisen. Die Länder wehren sich - aber Juristen haben zwei mögliche Schlupflöcher gefunden.

Viele Bundesländer reagieren über Parteigrenzen hinweg zurückhaltend bis ablehnend auf die Idee von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), das Grundgesetz zur Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung zu ändern. Er hatte angeregt, das Verbot zu lockern, wonach der Bund den Kommunen nicht direkt Finanzhilfen überweisen darf. Für eine Änderung sind Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat nötig.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nannte die "Überlegungen realitätsfern und nicht sachgerecht". Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) reagierte ähnlich: Die "Diskussionen sind überflüssig, solange sich der Bund nach wie vor unzureichend an der Finanzierung beteiligt. Wichtig ist daher nicht, wie der Bund zahlt, sondern dass er zahlt."

Eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung stieß auf Skepsis auch in Sachsen ("das bewährte System des kommunalen Finanzausgleichs nicht durch äußere Einflüsse bürokratisieren"), Bremen ("Ablenkungsmanöver"), Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern. Ein Regierungssprecher in Schwerin sagte: "Wir halten nichts davon, täglich neue Vorschläge öffentlich zu debattieren. Wenn die Bundesregierung diesen Vorschlag ernsthaft vertritt, dann muss sie ihn am 24. September auf den Tisch legen." Am 24. September findet ein Flüchtlingsgipfel in Berlin statt.

Auch die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) äußerte sich kritisch. "Die Frage einer Grundgesetzänderung ist jetzt nicht die primäre Frage", sagte sie. Zunächst bräuchten die Länder ein für sie "akzeptables Ergebnis" beim Flüchtlingsgipfel. Bayern habe zu dem Vorschlag noch keine Entscheidung getroffen, sagte Staatskanzleichef Marcel Huber.

Zwei juristische Schlupflöcher gibt es

Die Reaktionen sind wenig überraschend. Dem Bund eine Mitfinanzierung der Kommunen direkt zu gestatten, hieße in den meisten Fällen, an Einfluss und möglicherweise auch an Kompetenzen einzubüßen. Im Artikel 104 ist festgehalten, dass Geldzahlungen und Kompetenzen eng miteinander verbunden sein müssen. Kurz gesagt lautet das Prinzip: Wer eine Aufgabe hat, der zahlt auch dafür. Auch wird dort geregelt, dass Zahlungen des Bundes an die Länder oder die Kommunen im Grundsatz über die Länder laufen müssen.

Allerdings gibt es zwei kleine Schlupflöcher, die einen gewissen Interpretationsspielraum öffnen. In Artikel 104 b heißt es, "im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen", könne der Bund "auch ohne Gesetzgebungsbefugnisse Finanzhilfen gewähren". Offen bleibt an der Stelle, ob in einem solchen Fall Geld direkt an die Kommunen fließen dürfte. Und offen bliebt auch, ob die große Zahl an Bürgerkriegsflüchtlingen eine solche "außergewöhnliche Notsituation" darstellen würde. Eine wirkliche Grundlage für schnelle und direkte Zahlungen des Bundes scheint das aus Sicht der Juristen, die das derzeit für den Bund prüfen, aber nicht zu sein.

Sie verweisen außerdem auf Artikel 106 Absatz acht: "Veranlasst der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden unmittelbar Sonderbelastungen verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich", sofern diese den Ländern oder Gemeinden nicht zugemutet werden könne. Wer will könnte hier einen Weg ableiten, der es dem Bund erlauben könnte, in der aktuellen Situation schnell Geld an die Kommunen zu geben. Als juristisch abgesichert gilt freilich auch diese Variante nicht.

Dass Berlin trotzdem über eine Änderung nachdenkt, hat einen triftigen Grund: Seit Monaten muss der Bund mit ansehen, wie zahlreiche Länder in regelmäßigem Abstand mehr Geld vom Bund fordern und dabei stets auf die Not auch in den Kommunen verweisen. Jedoch geben bei Weitem nicht alle alles, was der Bund ihnen zur Verfügung gestellt hat, an die Gemeinden weiter.

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