SZ-Interview mit dem früheren tschechischen Präsidenten:Havel: Russland wird zum autoritären System

Vaclav Havel ist über die russische Politik besorgt. Russland entwickle sich zum autoritären System, das raffiniertere Methoden anwende als im Kommunismus. Havel sprach sich für ein amerikanisches Raketenabwehrsystem in Europa aus.

Klaus Brill und Nico Fried

Der frühere tschechische Präsident Vaclav Havel hat sich mit Nachdruck für die Errichtung eines Raketenabwehrsystems in Tschechien und Polen ausgesprochen.

Vaclav havel, afp

Vaclav Havel: "Es ist immer gut, wenn Amerika ein bisschen in Europa verankert ist".

(Foto: Foto: afp)

Zudem plädierte Havel in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung für eine enge Zusammenarbeit mit den USA. Es sei ,,immer gut, wenn Amerika ein bisschen in Europa verankert ist'', sagte Havel.

Die Anwesenheit der USA sei für Europa positiv, zumal wenn es um reine Verteidigungssysteme gehe. "Die größte Gefahr für Europa ist Europa selbst'', sagte Havel. "Seien wir uns immer dessen bewusst, welche Weltkriege hier in Europa ausgebrochen sind, und die Amerikaner haben dann immer die Situation gerettet."

Autoritäres System mit raffinierten Methoden

Für Tschechien bringt die Beteiligung an dem geplanten Raketenabwehrsystem der USA gegen denkbare Interkontinentalangriffe aus Iran oder Nordkorea nach Meinung Havels auch eine bessere Verankerung des Landes in der Nato mit sich.

Besorgnis äußerte der frühere Dissident, der zu Zeiten des kommunistischen Regimes fünf Jahre im Gefängnis verbracht hatte, über die Lage in Russland. ,,Das ist eine sehr seltsame und beunruhigende Entwicklung, als würde hier eine Art neuer Typ eines postkommunistischen autoritären Systems geboren, das neue, raffiniertere Methoden anwendet als die, die wir aus dem Kommunismus erinnern.''

Er übte auch Kritik am früheren deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder, der mit Russland die Verlegung einer Gaspipeline nach Deutschland durch die Ostsee vereinbart hatte. Polen und andere Ostsee-Anrainer hatten dagegen protestiert, dass sie von diesem Versorgungsstrang ausgeschlossen sind.

Putin fühlt sich an Kalten Krieg erinnert

Der russische Präsident Wladimir Putin setzte das von den USA geplante Raketenabwehrsystem mit der Stationierung von Atomraketen des Typs Pershing gleich. ,, Die Bedrohung ist absolut identisch'', sagte Putin nach einem Treffen mit seinem tschechischen Amtskollegen Vaclav Klaus am Freitag in Moskau.

Pershing-II-Mittelstreckenraketen waren in den 1980er Jahren im Rahmen des Nato-Doppelbeschlusses in Deutschland als Antwort auf sowjetische SS-20-Raketen aufgestellt worden. Das jetzt geplante US-Abwehrsystem sei in der Lage, das russische Territorium bis zum Ural zu kontrollieren, sagte Putin nach Angaben der Agentur Interfax. Er kündigte "entsprechende Gegenmaßnahmen" an.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier appellierte an die russische Regierung, mit den USA einen Dialog über das geplante Raketenabwehrsystem zu führen. "Russland muss Interesse signalisieren, über die Vorschläge zu reden", sagte Steinmeier zum Abschluss der informellen Tagung der Nato-Außenminister in Oslo.

Russland gegen Nato

Ausdrücklich würdigte er den Besuch des US- Verteidigungsministers Robert Gates vor wenigen Tagen in Moskau und das dabei überbrachte Gesprächsangebot.

Am Vorabend hatte der russische Außenminister Lawrow in einer Sitzung des Nato-Russland-Rates klaren Widerstand gegen die US-Pläne formuliert. Russland könne es nicht akzeptieren, dass Nato-Militär immer näher an seine Grenzen heranrücke.

Seine Regierung wolle von den Amerikanern zudem mehr hören, als nur das Argument, die Raketen seien nicht gegen Russland gerichtet, sagte Lawrow. Steinmeier sprach anschließend von einer ungewöhnlichen Sitzung in schwierigen Zeiten. Der deutsche Außenminister räumte ein, dass es auch innerhalb der Nato noch keine geschlossene Haltung zu den Abwehrplänen der USA gebe.

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