Syriengespräche in Berlin:Die Hoffnung für Syrien soll nicht sterben

Nach wochenlangen Kämpfen um die Stadt Aleppo haben die USA und Russland eine Waffenruhe erzwungen. Auch in Berlin wird um einen Hoffnungsschimmer gerungen.

Von Stefan Braun

Die Hoffnung soll noch nicht sterben. Nachdem zuletzt auch die größten Optimisten verzagten beim Versuch, die Gespräche über ein Ende des syrischen Bürgerkriegs in Gang zu bringen, ist es am Mittwoch Amerikanern und Russen doch noch gelungen, den Vermittlungsbemühungen von Genf eine neue Chance zu geben. Nach wochenlangen heftigen Kämpfen um die Stadt Aleppo erzwangen Washington und Moskau eine Waffenruhe. Sie soll endlich auch der nordsyrischen Stadt ein Ende der verheerenden Kämpfe bringen. Während die Amerikaner vor allem Druck auf die Opposition ausübten, setzten sie darauf, dass Moskau das Regime in Damaskus zum Einlenken bringen würde. Fürs erste ist das offenbar erfolgreich gewesen.

Für den Augenblick, so scheint es, gibt es damit doch noch eine Chance auf neue Gespräche. Nach fürchterlichen Gefechten, bei denen das Assad-Regime auch die längst geächteten Fassbomben einsetzte, scheint die Waffenruhe einigermaßen zu halten. Jetzt sollen die UN und andere Hilfsorganisationen die Möglichkeit erhalten, die notleidende Bevölkerung mit den wichtigsten Lebensmitteln und Arzneien zu versorgen. Ohne diesen Schritt wäre die syrische Opposition nicht mehr in der Lage, bei den im Januar erst begonnenen und derzeit wieder ausgesetzten Genfer Gesprächen über einen Machtwechsel auch nur erste neue Versuche zu starten.

Seit Wochen steht vor allem der Koordinator des Hohen Komitees der syrischen Opposition, Riad Hidschab, unter größtem Druck, die Verhandlungen aufzugeben. Zu viele der zahlreichen Oppositionsgruppen halten es für zynisch und deshalb ausgeschlossen, in Genf mit einem Regime zu sprechen, das in Syrien weiter Fassbomben abwirft. Dass bei den jüngsten Kämpfen auch die von allen Seiten geächtete al-Nusra-Front eine unsägliche Rolle spielte, gilt zwar als sicher. Gleichwohl ändert das nichts daran, dass die gemäßigtere Opposition das Verhalten des Regimes als Hauptursache für die Kämpfe wertet.

Angriffe gegen UN-Sondergesanten de Mistura

Der enorme Druck auf Hidschab ist auch bei einem Treffen am Mittwochabend in Berlin zentrales Thema gewesen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte zusammen mit seinem französischen Kollegen Jean-Marc Ayrault den Syrer Hidschab und den UN-Sondergesandten Staffan de Mistura ins Gästehaus des Auswärtigen Amtes eingeladen, um die Spannungen auch zwischen den beiden aus der Welt zu räumen. Hidschab hatte zuletzt auch de Mistura heftig angegriffen und ihm vorgehalten, dass sich in den zwei Jahren seiner Vermittlungsbemühungen nichts an der Aggressivität des Regimes geändert habe.

In Berlin und Paris wird die Kritik an de Mistura zurückgewiesen und zugleich als Zeichen der großen Verzweiflung Hidschabs gewertet. Insbesondere seit Russlands Militäreinsatz sieht sich die Opposition als Verliererin der internationalen Bemühungen. Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass der große politische und militärische Kredit, den Moskau Damaskus mit seinem Militäreinsatz gewährt hat, das Regime von Baschar al-Assad irgendwie kompromissbereiter gemacht hätte. Im Gegenteil.

Dass die Vereinbarung über die Waffenruhe ausgerechnet während des Berliner Treffens bekannt wurde, hat immerhin ein kleines bisschen dabei geholfen, das Verhältnis zwischen de Mistura und Hidschab zu entspannen. Gleichwohl erklärte Hidschab nach dem Treffen, dass sich aus Sicht der syrischen Opposition an der grundsätzlichen Voraussetzung für eine friedliche Lösung des Konflikts nichts geändert habe. Eine politische Lösung mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad sei undenkbar. Hidschab plädierte erneut für eine Übergangsregierung mit vollen Befugnissen. Außerdem sei für eine Rückkehr zu den Gesprächen in Genf eine deutliche Verbesserung der humanitären Lage der syrischen Bevölkerung unverzichtbar.

Ein Appell zum Frieden reicht nicht mehr aus

Das sehen Europäer und Amerikaner im Grundsatz keinen Deut anders. Außerdem lesen auch sie die letzten Aggressionen des Regimes in Damaskus als Versuch, der Opposition einen Beginn substanzieller Verhandlungen mit dem Assad-Regime unmöglich zu machen. Dahinter steht laut westlichen Diplomaten genau die Angst, die das Assad-Regime seit Beginn der internationalen Friedensbemühungen im vergangenen Herbst umtreibt: die Angst, dass Friedensverhandlungen am Ende eben doch zum Machtwechsel und zum Ende der Herrschaft von Assad führen werden.

Außenminister Steinmeier betonte nach dem Treffen mit Hidschab und de Mistura denn auch, dass die zwischen Moskau und Washington ausgehandelte Ausweitung der Waffenruhe auf Aleppo, sollte sie tatsächlich halten, ,,weit mehr'' sei als eine große Erleichterung für die Menschen in Aleppo. ,,Es ist eine wichtige Grundlage dafür, dass die Genfer Verhandlungen zwischen Assad-Regime und syrischer Opposition so schnell wie möglich wiederaufgenommen werden können."

Um dem Ziel tatsächlich näher zu kommen, könnte es alsbald auch ein neues Treffen der Internationalen Unterstützergruppe für Syrien geben - mit den Außenministern der USA, Russlands, zahlreicher europäischer und arabischer Staaten. Hinter den Kulissen wird längst darüber gesprochen. Entschieden aber ist offenbar noch nichts. Der Grund: Allein ein neuerlicher Appell zum Frieden reicht nach verbreiteter Auffassung nicht mehr, um alle zusammen zu trommeln. Immer stärker in den Mittelpunkt rückt die Frage, wie weit Moskau am Ende zu gehen bereit ist, um Baschar al-Assad zum Rückzug zu zwingen. Darauf weiß in Berlin und anderen westlichen Hauptstädten nach wie vor niemand eine Antwort.

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