Syrien und die UN:Der Bock auf dem Weg zum Gärtner

Syriens Führung lässt das Militär mit tödlicher Gewalt gegen Demonstranten vorgehen - und bewirbt sich zugleich um einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat. Nachdem der UN-Sicherheitsrat das Land nicht verurteilen will, berät die EU über Sanktionen.

Mehr als 450 Zivilisten haben die Sicherheitskräfte in Syrien seit Beginn der Unruhen erschossen, berichten Menschenrechtsaktivisten. Da erscheint die Kandidatur des Landes für einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat besonders absurd. Westliche Staaten bemühen sich nun intensiv darum, Syriens Einzug in das Gremium zu verhindern.

Syrian military deploys tanks

Auf einem Video ist dieser Panzer in der syrischen Stadt Deraa zu sehen. Syrien möchte einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat. Westliche Länder wollen das verhindern.

(Foto: dpa)

"Wenn Syrien in den Menschenrechtsrat gewählt würde, wäre die Glaubwürdigkeit dieser Institution betroffen", sagte der für Menschenrechte zuständige französische Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York, François Zimeray. Westliche Staaten würden dagegen kämpfen. "Wir liefern uns eine wahre Schlacht", erklärte Zimeray.

Der Fall erinnert an die heftigen Probleme des Vorgängers der UN-Organisation, der Menschenrechtskommission. Die Legitimität dieses Gremiums war insbesondere deshalb in Frage gestellt worden, weil sogar ein Staat wie Sudan trotz der Gewalt in Darfur den Vorsitz hatte übernehmen können.

Syrien hatte Anfang März offiziell seine Kandidatur für einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat lanciert. Dem Gremium mit Sitz in Genf gehören eigentlich 47 Staaten an, die für drei Jahre gewählt werden. Libyen, das trotz Protesten von Menschenrechtsgruppen im Mai 2010 aufgenommen worden war, wurde im März allerdings ausgeschlossen. In der Kritik steht das Gremium vor allem, weil gerade islamische und afrikanische Staaten, aber auch Länder wie China, Russland oder Kuba immer wieder die Versuche, Menschenrechtsverletzungen anzuprangern, bremsen oder verhindern.

Menschenrechtsrat berät über "scharfe Verurteilung" Syriens

Wie Syrien die Kandidatur begründet, erscheint Kritikern angesichts der aktuellen Entwicklung wenig überzeugend. Die Regierung Assad hatte erklärt, ihre Kandidatur zeuge vom Engagement, den "unveräußerlichen und unteilbaren Charakter der Menschenrechte zu respektieren und zu unterstützen". Nun ist das Land selbst Gegenstand einer Beratung in dem Gremium geworden. Auf Antrag der USA findet in Genf derzeit eine Sondersitzung über die Lage in Syrien statt. Die Amerikaner haben für das Treffen einen Resolutionsentwurf vorgelegt, der "die Tötung, Verhaftung und Folter von Hunderten friedlichen Demonstranten" durch die syrische Regierung "scharf verurteilt". Der Text fordert zudem die dringende Entsendung einer internationalen Ermittlerkommission, um die Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen zu prüfen. Unterstützt wurde der Resolutionsentwurf zunächst von zehn europäischen Staaten sowie Japan, Mexiko, Südkorea, Senegal und Sambia.

Die westlichen Länder wollen darüber hinaus die Gruppe der asiatischen Staaten bei den UN - die Syrien vorgeschlagen hatten - überzeugen, einen anderen Kandidaten zu nominieren. Gleichzeitig sollen andere Staaten überzeugt werden, gegen Syrien zu stimmen. Bereits am Mittwoch hatte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin gesagt, Deutschland wende sich gegen eine syrische Kandidatur für den Menschenrechtsrat. Eine Aufnahme Syriens in das UN-Gremium wäre "nicht mehr als eine Verhöhnung der Opfer in Deraa und anderen Städten".

Darüber hinaus macht sich Deutschland für harte Sanktionen gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad stark. "Die Gewalttaten gegen eigene Staatsangehörige werden von uns mit aller Schärfe verurteilt", sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) in der ARD. Die ständigen Botschafter der EU-Staaten werden am Freitagnachmittag in Brüssel über eine Reaktion auf die Gewalt der syrischen Regierung gegen friedliche Demonstranten beraten. Ein Vorstoß der Europäer auf eine Verurteilung Syriens war in der Nacht zum Donnerstag im UN-Sicherheitsrat gescheitert.

Es sei wichtig, dass die internationale Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Stimme spreche, sagte Westerwelle. "Und wir Europäer werden dann auch Sanktionen beschließen." So könnte Europa etwa mit einem Waffenembargo oder dem Einfrieren von Vermögen reagieren. Zudem könnten EU-Zahlungen im Rahmen der Nachbarschaftspolitik eingestellt und ein Assoziationsabkommen auf Eis gelegt werden. Militäreinsätze böten nicht die zunächst erscheinende dauerhafte Lösung, warnte er. Die Bundesregierung strebe eine politische Lösung an. Die Situation in Libyen, wo die Nato mit Luftangriffen in den Konflikt eingreift, sei nicht mit Syrien vergleichbar.

Eine Verurteilung der syrischen Führung, die mit Panzern auf die Demonstranten feuerte, ist im UN-Sicherheitsrat bislang an Russland, China und dem Libanon gescheitert.

Kritik aus der Türkei

Dafür wächst nun in der Türkei, einem wichtigen Partner Syriens, die Kritik an der syrischen Führung. Einem Zeitungsbericht zufolge betrachtet die türkische Regierung die Ablösung von Staatschef Assad als eine Lösung. Regierung und Militärs hätten im Nationalen Sicherheitsrat in Ankara über dieses Szenario gesprochen, berichtete die Zeitung Radikal. In einer offiziellen Erklärung forderte das Gremium von Syrien die Umsetzung versprochener Reformen und rief die Sicherheitskräfte zu "maximaler Sensibilität" auf.

In Syrien selbst ist es bei der gewaltsamen Niederschlagung der Protestbewegung laut Augenzeugen und Menschenrechtsgruppen auch zu Zusammenstößen zwischen Militäreinheiten gekommen. Ein Sprecher einer Gruppe von Oppositionspolitikern im Exil, Aussama Monadsched, sagte, seine Gruppe habe derartige Berichte seit Montag aus Deraa erhalten.

"Bataillone der Fünften Division schützten Menschen und erwiderten das Feuer, als sie von der Vierten Division angegriffen wurden", sagte er. Die Vierte Division untersteht dem Bruder des Präsidenten, Maher. Die Fünfte Division setzt sich überwiegend aus Wehrpflichtigen zusammen, die den Einwohnern nahestehen.

Neben diesen angeblichen Vorfällen gibt es weitere Anzeichen dafür, dass der Rückhalt für Assad bröckelt: Angesichts des gewaltsamen Vorgehens der syrischen Regierung gegen Demonstranten sind mehr als 200 Mitglieder aus der Baath-Partei des Präsidenten ausgetreten.

In der ersten Äußerung der Muslimbruderschaft seit Beginn der Demonstrationen gegen Präsident Assad werden die Syrer aufgefordert, ihren Widerstand gegen die autokratische Führung des Landes fortzusetzen. "Lasst das Regime eure Mitbürger nicht bedrängen. Stimmt ein in den Gesang für Frieden und Würde. Erlaubt nicht, dass der Tyrann euch unterjocht."

Die Muslimbrüder erklärten weiter, die syrische Führung wolle mit ihrer Anschuldigung, dass Islamisten hinter den Protesten steckten, einen Bürgerkrieg auslösen und die Forderungen der Demonstranten nach mehr Freiheit und einem Ende der Korruption untergraben.

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